Reicht die Zeit noch für die Demokratie?

Revolution.

Klima, Corona, Rassismus, Ungerechtigkeit, Verkehr, Bildung, Gesundheit, Kriege, Umweltkatastrophen, Religion, Gewalt, das sind alles Baustellen unserer Gesellschaft. Das sind wichtige Themen und sie hängen zusammen, sie fließen ineinander und auch wieder zurück.
Die meisten dieser Themen beschäftigen uns nicht erst seit heute. Schon Anfang der 1970er Jahre hatte der Club of Rome eine Studie veröffentlicht, deren Kernaussage lautet:

„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“

Schlussfolgerung aus: Die Grenzen des Wachstums des Club of Rome 1971

Das bedeutete, viel Zeit bleibt nicht, denn das ist schon fünfzig Jahre her und eigentlich machen wir immer noch alles so wie vor 50 Jahren. Wir fahren Auto – und zwar noch viel mehr, wir fliegen – auch das häufiger, wir verpesten die Umwelt und führen Kriege. Yeah!

Was bewirken all die Texte, die schon vor hunderten von Jahren geschrieben wurden um zu einem Umdenken in der Gesellschaft zu kommen? Angefangen bei Morus Utopia, über Paine, Spence, Fromm, Gruen, Rogers, Ahrendt, … Ich sollte eine Liste machen. Diese Texte werden publiziert, wenn sie Glück haben diskutiert und dann ignoriert. Wie famos.

Kacynski. Der hat es anders gemacht, aber das Ende ist das Gleiche. Woran liegt es, das es der Menschheit so schwer fällt, gute und konstruktive Ideen anzunehmen?

Jahrhunderte lang wurde den Menschen eingeredet, sie müssen den Regeln der Kirche folgen um in den Himmel zu kommen. Das Ergebnis waren Menschen, die sich wie Lämmer durch ihr Leben schieben ließen. Sie gehorchten, arbeiteten, zahlten Steuern und zogen für den blöden König in den Krieg. In der Industrialisierung das Gleiche noch mal von vorn, dieses mal aber für den fröhlichen Fabrikbesitzer und das Vaterland.

Arbeit, welch glanzvolle Erfindung. Wie konnte Arbeit so eine verklärte Tugend werden?

„Würde die Arbeiterklasse das Laster, das sie beherrscht und ihre Natur erniedrigt, aus ihrem Herzen reißen und sich nicht in ihrer furchtbare Kraft erheben, nicht, um die >>Menschenrechte<< einzufordern, die nichts weiter sind als die Rechte der kapitalistischen Ausbeutung, und nicht, um das >>Recht auf Arbeit<< einzufordern, das nichts weiter ist als das Recht auf Elend, sondern um ein ehernes Gesetz zu schmieden, das jedem Menschen verbietet, mehr als drei Stunden am Tag zu arbeiten, so würde die Erde, die alte Erde, beben vor ausgelassene Freude, spüren, dass sich in ihr ein neues Universum rührt…„(1)

„Das Recht auf Faulheit“, auch von zu wenig Menschen gelesen. Die breite Masse hat die gleichen Assoziation bei dem Wort „Faulheit“ und sie stimmen auch mit der noblen Vorstellungen über das Wort „Arbeit“ überein. Geschenkt.

Überwachungsbilder der Stasi. – Foto: Markus Hansen – Runde-Ecke-Leipzig

Wenn sich ein Teil der Menschen mal ein Buch vornimmt und die darin beschriebene neuen Ideen verwirklichen, dann kann das Geschriebene einiges bewirken. Doch wie das Christentum oder der Kommunismus wunderbar zeigen, bleibt am Ende nicht viel vom Original übrig, wie die Reste eines Apfels.

Entweder werden die Ideen ignoriert oder pervertiert. Schade.

Sozialismus und Kommunismus sind gescheitert. Warum? Hier eine These: Die Idee, das alle gleich sein sollen ist gut, finde ich auch, aber sie ist eben auch absurd. Niemand ist gleich. Nicht mal der eigene Sohn ist doch dem Vater gleich.

Dazu kommt noch, das es „das Volk“ oder „die Gesellschaft“ nicht gibt. Wenn eine Minderheit, und es sind immer Mindeheiten, einen Staat stürzt um einen neuen „besseren „ zu errichten, dann ist diese Minderheit von vielen Menschen umgeben, die die Idee vielleicht gut finden, aber einige Punkte anders sehen. Diese sind dann die Staatsfeinde oder Terroristen von morgen und wie mit diesen Umgegangen wird, hat sich bis heute nicht geändert.

Daraus folgt, das jedes neue System, das von oben oder unten auf die breite Masse aufoktroyiert wird, mit Waffen und Gewalt auf Line gebracht oder gehalten werden muss. Das war bzw. ist bei den Nazis, den Kommunisten in Russland, China und Kuba so und auch in der DDR. (2)

So kann die Idee noch so verlockend nach Paradies riechen, am Ende schmeckt sie wie der Küchenboden einer Eckkneipe.

Noch mal der Anfang:

Klima, Corona, Rassismus, Ungerechtigkeit, Verkehr, Bildung, Gesundheit, Kriege, Umweltkatastrophen, Religion, Gewalt,… und nun?

Änderungen im demokratischem Umfeld haben die Möglichkeit sich durchzusetzen, da sie von einer möglichen Mehrheit getragen werden, bzw. sich als neue „Normalität“ durchsetzen. Allerdings dauert das sehr lange.

Die Kernenergie zum Beispiel. Das Image ist im laufe der Zeit bei der Bevölkerung – steter Tropfen höhlt den Stein – in den Minusbereich gesunken. Heute sind die meisten Menschen gegen Atomkraftwerke (3). Andere Beispiele für langfristige Änderungen sind unter anderem vegetarisches Essen, Homosexualität und Umweltschutz – nicht das sie voll akzeptiert sind, aber es ist eine größere Anerkennung innerhalb der Gesellschaft zu erkennen. Solche Veränderungen wachsen innerhalb der Gesellschaft wie ein Spitzahorn.
Die Demokratie ist leider nicht davor gefeit, wen die Menschen an ihre Spitze wählen und dann können sich langjährige Errungenschaften mit der Bekanntgabe des Wahlergebnis in nichts auflösen.

Der Souverän entscheidet sich gerne für die einfachen Lösungen auf die komplexen Probleme dieser Zeit, was aus solchen Lösungen wird, sieht man in den USA. (4,5,8)

Proteste wie die Friday for Future haben viel Potential die Ansichten zu einzelnen Themen innerhalb der Bevölkerung zu verändern, oder auch die „Black Lives Matter“- Bewegung, die Europa erreichte um auch hier auf Misstände aufmerksam zu machen und hoffentlich Änderungen herbeiführt.

Was haben wir?

Jede Menge Probleme, zahlreiche Bücher zur Verbesserung der Gesellschaft, die ein karges, unbeachtetes Dasein in dunklen Archiven fristen, die langsame Demokratie mit Volksvertretern, die entweder trump sind oder durch Lobbyisten verhindert werden und Proteste.

Reicht das?
Nein.
Wir können noch boykottieren, keine neuen Autos kaufen, kein Fleisch essen (5), Konsum reduzieren, Fahrrad fahren statt tanken, was immer gut ist für die Umwelt. Andere Parteien wählen. Bloß welche?

Der einfache Mensch steht Ohnmächtig vor einem Berg schlechter Nachrichten und Prognosen und wundert sich. Was denkt sich ein polnischer Werksverträgler bei Tönnies, der für wenig Geld im reichen Deutschland Fleisch zerschneidet? Das sich in über hunderten von Jahren nicht viel geändert hat? Recht hat er! Seit über 600 Jahren tanzt der weiße Mann auf Leichenbergen und wirft mit Geld um sich. Ungerechtigkeit ist eine Konstante – und das schon sehr lange.

Für dieses Land heißt das, nicht so viel Versprechen im Wahlkampf, sonst muss ich das noch umsetzen. Es herrscht das Primat der Wirtschaft und die wollen nur Profit, das ist auch eine einfache Lösungen: Hauptsache mir geht es gut.

Frustrierendes Ende. Wir machen etwas, aber nur zögerlich, keinen verschrecken, schon gar keinen Aktionär.

Ich wünsche mir etwas!

Demokratie mit Politikern – besser noch Politikerinnen, die alte Zöpfe abschneiden und das ohne „Basta“-Gedöns. Die sich beraten lassen und der Vernunft folgen und nicht dem Geld. Die Gerechtigkeit leben. Ich wünsche mir Volksentscheide zu wichtigen Themen und das ernsthafte Proteste gehört und wertgeschätzt werden. Am Ende bleibt aber nur:

„Es ist schwer, den Menschen zu helfen,
sie selbst sind ihre beharrlichsten Feinde“

Popper-Lynkeus (7)

  1. (Kovce, Philip / Priddat, Philip [Hrsg.] „Bedingungsloses Grundeinkommen – Grundlagentexte“ Seite171 / Paul Lafargue „Das Recht auf Faulheit“)
  2. https://www.nzz.ch/international/china-erlaubt-streng-kontrollierten-blick-in-umerziehungslager-ld.1480115
  3. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/196207/umfrage/meinung-zum-gebrauch-von-atomenergie-in-deutschland/
  4. https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-05/usa-konsumausgaben-einkommen-us-handelsministerium
  5. https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-trump-kann-wahlversprechen-nicht-halten-1.4357027
  6. https://www.umweltbundesamt.de/themen/warum-fleisch-zu-billig-ist
  7. Kovce/Priddat „Bedingungsloses Grundeinkommen – Grundlagentexte – Seite 204 – Josef Popper-Lynkeus „Die allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage“
  8. DIE ZEIT – 10.6.2020 „Die amerikanische Lüge“ von Kerstin Kohlenberg

Das bedingungslose Grundeinkommen – Wann sonst?

Jetzt gerade. Jetzt gerade wäre der beste Moment um das bedingungsslose Grundeinkommen einzuführen. Studenten, Gastronomen, Hoteliers, Einzelhändler, Musiker, Schauspieler, Angestellte und noch viele mehr bangen um ihre Existenz. Firmen wie die Lufthansa brauchen Staatshilfen, Karstadt bzw. Galeria Kaufhof plant 80 seiner 170 Filialen zu schließen, die Tourismusbrache liegt am Boden, alle Messen – und Konzertveranstalter haben derzeit keine Arbeit. Hinter all diesen Firmen stecken Menschen und die befürchten das Schlimmste. Rettungspakete, wie das von der Regierung vorgelegte, sind Medizin und bekämpfen Symptome aber nicht die Krankheit.

„Beim Schutzschild für Beschäftigte, Selbstständige und Unternehmen handelt es sich um das größte Hilfspaket in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Umfang der haushaltswirksamen Maßnahmen beträgt insgesamt 353,3 Milliarden Euro und der Umfang der Garantien insgesamt 819,7 Milliarden Euro…

Die Bundesregierung greift Familien unter die Arme, um Einkommen zu sichern: Verdienstausfälle von Familien, die sich aus Kita- oder Schulschließungen ergeben, werden weitgehend aufgefangen. Das gilt auch für Selbstständige und Freiberufler. Familien, die wegen Kurzarbeit geringere Einkommen haben, erhalten leichteren Zugang zum Kinderzuschlag.

Kleine UnternehmenSelbstständige und Freiberufler erhalten sehr umfangreiche und rasche Unterstützung: Der Bund stellt 50 Milliarden Euro bereit, um unbürokratische Soforthilfe für kleine Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler zu gewähren. Damit werden einmalig für drei Monate Zuschüsse zu Betriebskosten gewährt, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Die Soforthilfe ergänzt die Programme der Länder. Die Anträge werden deswegen aus einer Hand in den Bundesländern bearbeitet. „(1)

Das bdingslosqes Grundeinkommen wäre einfacher für alle - eine Schaubild zu den steuerlichen Hilfmassnahmen der Regierung
So sieht unbürokratisch aus, finde ich auch. Quelle: siehe 1

Das ist bürokratischer Wahnsinn. (Schauen Sie sich die Schaubilder mal an). Anträge stellen, sich mit Behörden auseinandersetzen, Berechtigung klären, Fristen einhalten und zu guter letzt der sehr wahrscheinliche Missbrauch. Wenn eine Behörde etwas „unbürokratisch“ machen möchte, ist es meist nicht zu Ende gedacht und öffnet Tür und Tor für Betrüger. Unbürokratische wäre es, das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen.

Mal testen

Jeder Frau, jedem Mann, jedem Kind. Vielleicht erst einmal zur Probe. Ein Jahr? Wenn dann alle Bundesbürger, wie oft befürchtet wird, nur noch zu Hause liegen und der Müll nicht mehr abgeholt wird – weil das ja denn, laut Frau Nahles (3), keiner mehr machen möchte – dann kann es ja wieder abgeschafft werden. Über die Vorteile für jeden einzelnen des BGE wurde schon viel geschrieben (2), aber die Corona-Situation ist eine große Chance. Denn zur Zeit geht es vielen, denen es sonst gut geht und für die das Grundeinkommen eine unbezahlbare Utopie ist, finanziell schlecht und auch sie greifen nach jedem Strohhalm.

Also, jetzt muss es kommen. Teurer als das oben genannte Rettungspaket kann es kaum werden. Zur jetzigen Situation  kommt noch die Vorhersage einer Pleitewelle von Unternehmen im Herbst. Sollen dann noch mehr Milliarden durch bürokratische Kanäle ins Nichts fließen?  Da andere Pandemien in den nächsten Jahren nicht ausgeschlossen werden, wäre dieses Land schon mal gut vorbereitet und die Bürger könnten beruhigt den Lockdown ertragen. Auch die Regierung müsste sich in Zukunft nicht mehr um unfassbar hohe Zahlungen für Firmen und Bürger bemühen. 

Jetzt ist genau richtig.  Jetzt! Die Pandemie, die Ängste und Sorgen der Menschen, Firmen am Abgrund, all das schreit: Jetzt! Jetzt das Grundeinkommen. Wann sonst?


Quellen

  1. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Corona-Schutzschild/2020-03-13-Milliarden-Schutzschild-fuer-Deutschland.html;jsessionid=BA94F27DF259E982BD7D3BA8FA430A09.delivery1-replication
  1. https://www.grundeinkommen.de/grundeinkommen/idee
  1. https://taz.de/!306396/

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