Glücklich sein ist nicht vorgesehen

Die Früchte des Zorns“, „Archipel Gulag“ oder „Der Dschungel“, nur drei Beispiele über das Elend und die Grausamkeiten, die wir Menschen zum Leben auf diesem Klumpen beitragen. Wie man es dreht und wendet, es gab schon immer die Besitzenden und Wohlhabenden auf der einen Seite und die armen und hungernden auf der anderen Seite. Das Verhältnis ist auch recht konstant: Ein paar Wohlhabende und sehr viele Arme. Reich ist in jedem Teil der Erde reich, hingegen Arm sehr verschieden sein kann. Jemand der in Deutschland arm ist, gilt in anderen Gegenden als Mittelschicht. Was hindert die Menschheit daran, es allen gut gehen zu lassen? Gibt es ein Gen, das verhindert, das wir uns eine Welt vorstellen, in der es für alle eine Erfüllung der Grundbedürfnisse gibt; in der alle glücklich sind?

Denkbar ist auch, dass die Besitzenden dafür sorgen, dass sie und ihre Nachkommen immer zu den Besitzenden zählen und nicht zu den Armen. Verständlich, aber ungerecht. Besitz wird schon von ganz kleinen Kindern bestimmt und verteidigt – auch mit Gewalt. Es wird das Dreirad, das ein Kind haben möchte, festgehalten und so das Kind, das auf dem Dreirad sitzt daran gehindert, weiterzufahren. Lieber hat keiner Spaß als nur der andere. Das zieht sich durch bis ins hohe Alter. Wir sind egoistisch in zahlreichen Abstufungen.

Eine Obdachlose Frau sitzt vor einer Reihe von Einkaufswagen mit Bier und Taback in Hamburg
Eine obdachlose Frau in Hamburg | 10/2024 | Foto: Markus Hansen

Was stimmt denn nicht mit uns?

Die zahllosen Kriege und Massaker zeigen, das wir nicht so richtig dazu lernen oder wachsen. Erfindungen wie das Schießpulver und später die Atombombe führen zu keiner signifikanten Änderung unseres Verhaltens. Ob Stein, Gewehrkugel oder Atombombe, es wird getötet und angegriffen, um was zu tun? Mehr Land zu besitzen? Mehr Reichtum anzuhäufen oder mehr Menschen zum Ausbeuten zu haben?

Glücklich zu sein, mit dem, was man hat, scheint vielen schwer zu fallen. Dem anderen sein Glück zu gönnen, ist auch nicht die Schlüsselkompetenz unserer Spezies. Unsere genetische Veranlagung gepaart mit dem, was wir Kapitalismus nennen, ist mehr als toxisch. Der freie Markt fördert unsere schlechten Eigenschaften und verhindert eine schöne Welt. Als dritter im Bunde kommen noch Ideologien und Religionen hinzu, die ebenfalls dafür sorgen, dass unser Zusammenleben weiterhin von Gewinnsucht und Vorteilsnahmen geprägt ist.

Ich dachte früher, das wir bei den Kindern anfangen müssen, um eine bessere Welt zu gestalten. Im Kindergarten und in der Schule werden den Kindern Werte vermittelt, wie gewaltfreie Kommunikation, Achtung vor den Gefühlen der anderen und den ganz Kram, der nötig wäre um irgendwann mal eine Gesellschaft zu haben, die in Frieden und Freiheit lebt. In einer gesunden Natur und sich mit wenig Besitz am Dasein erfreut. Kurze Pause für Lacher.
Das ist gelinde gesagt, leider und traurigerweise naiv.

Es soll nicht sein

Alles in diesem unseren System ist darauf ausgelegt, zu verhindern, dass es allen gut geht. Politiker aller Parteien wollen nicht das Beste für das jeweilige Land und auch nicht eine Lösung für etwaige Probleme, sie wollen ihre Ideologie durchsetzten und möglichst lange an der Macht bleiben – siehe Trump, Assad, Lindner, Wagenknecht, u.a. Das Bildungswesen als Grundlage einer besseren Welt ist unterfinanziert und wird ebenfalls durch Menschen beeinflusst, die in diesem System gefangen sind – bewusst oder unbewusst. So wird der beliebte Leistungsgedanke weiter gesät und gehegt. Nachdem die jungen Menschen ihrer Fantasie und den meisten Illusionen beraubt worden sind, kommen sie in die Arbeitswelt. Auch da geht es um nichts anders, als möglichst viel Geld zu verdienen in einem Beruf – der vom Autor David Graeber als Bullshit-Jobs bezeichnet wird – um eine Karriere zu beginnen. Diese Karriere wird durch Besitz und Konsum gegenüber anderen belegt – macht aber auch nicht glücklich. Trotzdem muss es immer mehr werden, mehr Geld, mehr Besitz.

In vielen Berufen, die wichtig und sinnvoll sind, ist die Bezahlung nicht so hoch wie die Belastung. Beispiele: Polizei, Krankenhaus, Pflegeberufe, Kinderbetreuung, Bildungswesen, Bau, Einzelhandel und noch viele weitere. Das gilt auch für den Kulturbereich. Trotzdem machen wir alle immer weiter. Wir sehen, das Menschen im Meer ertrinken, das Kinder die giftigen Mülldeponien nach verwertbaren Sachen durchforsten, das Frauen unsere billigen T-Shirts nähen. Wir sehen Krieg und Elend jeden Tag auf der ganzen Welt. Während die einen irgendwo in einer Wellblechhütte sitzen und nicht wissen, wie sie ihre Kinder ernähren sollen, werden in einem anderen Teil der Welt die Menschen immer fetter und leiden an psychischen Erkrankungen.

Alles läuft so, dass die vermögenden Menschen es gut haben und es ihnen auch weiterhin gut geht. Die Anzahl der Milliardäre steigt und deren Vermögen ebenfalls. Leider wächst die Menschlichkeit nicht so schnell wie deren Vermögen. Wie erklärt sich sonst ein Elon Musk? Es gibt Fortschritte in vielen Bereichen: die Kindersterblichkeit ist weltweit gesunken (1) und der Zugang zur Bildung ist weltweit gestiegen (2) und die Medizin macht Fortschritte in allen Bereichen. Und dennoch:

„420 Millionen Kinder leben in einem Kriegs- oder Konfliktgebiet. Das sind fast doppelt so viele wie vor 20 Jahren. Sie leiden an Angst, Hunger und Krankheiten. Rund 27 Millionen Kinder können aufgrund der bewaffneten Kämpfe nicht zur Schule gehen.“ (3)

Ich bin kein Pessimist

Die Zahl der Kriege und Konflikte auf unserer Erde nimmt stetig zu. (4) In vielen Ländern herrschen Autokraten oder rechte Parteien, die mit ihrer Politik mehr den Reichen nützen als den Armen und die auch kein großes Interesse daran haben, die Welt zu verbessern. Ein paar wenige entscheiden über das Schicksal von Millionen Menschen. Dieser Weg führt naturgemäß zu einem Ende und vermutlich wird das Ende auch nicht dazu beitragen, das die Menschen glücklich sein werden.

Die Hälfte der US-Bürger billigen die Ansichten von Donald Trump und seinen unglaublichen Lügengeschichten und werden ihn wählen. Hier bei uns wird auf Bürgergeldempfänger eingedroschen, als wenn sie die Welt retten könnten, es aber einfach nicht wollen. Faules Pack! Migranten sollen abgeschoben werden, nicht nur aus Deutschland. In ganz Europa, das früher selbst die Länder besetzt hatte oder für deren heutigen desolaten Zustand verantwortlich zeichnet, sollen die Migranten das Land verlassen. Am besten es gar nicht erst betreten. Teilen und Verzichten sind nicht vorgesehen in der Natur des Homo oeconomicus und somit auch das glücklich sein nicht. Ein sehr flache Lernkurve gepaart mit einem großem Ego sind die Zutaten für diese unsere beschissene Welt. So schnell wird sich daran leider auch nichts ändern. Was für ein Glück.


Quellen

  1. https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/kindersterblichkeit-gesunken-100.html
  2. https://www.sos-kinderdoerfer.de/informieren/wie-wir-helfen/bildung/hintergrund/bildung-weltweit-fakten
  3. https://www.tdh.de/was-wir-tun/arbeitsfelder/kinder-im-krieg/#:~:text=420%20Millionen%20Kinder%20leben%20in,Kämpfe%20nicht%20zur%20Schule%20gehen.
  4. https://friedensgutachten.de/user/pages/02.2024/02.ausgabe/01.gesamt/FGA2024_gesamt.pdf

Ohnmacht als Sargnagel der Demokratie

Noch macht mir die AfD keine Sorgen, denn der übertriebene Blick auf die kleine, laute Meute, die zurzeit bei 20 Prozent 1 steht, kann doch gut 80% stille, aber hoffentlich demokratische Masse entgegengestellt werden. Was mich eher besorgt, sind die Zustände und Entwicklungen in diesem und anderen Ländern. Der Wunsch nach einfachen Antworten und dem wie es „früher“ einmal war, ist wohl der Komplexität des Heute geschuldet. Regierungsmitglieder und auch die anderen Parteien kleben an ihren überholten Ideologien. Da ist keine Bereitschaft zu erkennen, wirklich etwas verändern zu wollen. Solange dumme Ideologien die Oberhand über das Handeln der Verantwortlichen haben, sind Veränderungen nicht zu erwarten.

Ohnmacht als Sargnagel der Demokratie, eine Bahnhofsuhr an einer kaputten Hauswand.
Irgendwo in diesem Land, ein völlig heruntergekommener Bahnhof. | Foto: Markus Hansen

Die ganze Nichtstun – oder zu wenig – mit der vermeintlichen Innovationskraft der Wirtschaft zu begründen ist fahrlässig. Die Zukunft von vielen wird den Hoffnungen von wenigen hinten dran gestellt. Absurd. So erfährt der Bürger, wie immer weniger, aber immer lauter nichts geschieht und betrachtet seine eigene Ohnmacht. Was kann der einzelne bewirken? Ich wähle seit Jahren, aber meine Partei hat es nie in die Regierung geschafft.

Es gibt Ungerechtigkeiten wie das Steuerrecht, das per se den Menschen mit mehr Geld zum Vorteil gemacht zu sein scheint. Die Bildung, in der „bildungsferne Kinder“ auf Abstand gehalten werden. Im Gesundheitswesen, wo es wieder den Betuchteren leichter fällt, einfach mal zum Arzt zu gehen, während der Kassenprolet drei Monate auf einen Termin warten muss.

„Die Gründe liegen dabei noch immer im Elternhaus; der Bildungserfolg in Deutschland ist weiterhin von der familiären Herkunft der Kinder abhängig, so die Studienautoren. Systematische Unterschiede gibt es dabei zwischen unterschiedlichen Gruppen: Mädchen und Jungen, Kindern mit oder ohne Migrationshintergrund, Kindern aus unterschiedlichen sozialen Schichten.“ 

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Kann der einzelne etwas gegen diese Ungerechtigkeit machen?

Das Unbehagen mit der Gegenwart hat großes Potential, dass sich weitere Menschen von der Demokratie abwenden. Die Zukunft steht entweder in Flammen oder unter Wasser. Vielen steht auch eine Zukunft in Armut bevor, weil die Rente nicht reichen wird. Leider ist die Bereitschaft der Politik etwas zu verändern und von den Bürgern Einschränkungen zu verlangen, genauso groß, wie die der Wähler, auf etwas zu verzichten. Es wird geflogen, gegrillt, Auto gefahren und mobil telefoniert, als wenn es überhaupt keine drohende Katastrophe geben würde.

In naher Zukunft gehen Millionen von Menschen in den Ruhestand und dann fehlen noch mehr Ärzte, Handwerker und Pflegekräfte. 

„WIESBADEN/BERLIN – Bis Mitte der 2030er Jahre wird in Deutschland die Zahl der Menschen im Rentenalter (ab 67 Jahren) um etwa 4 Millionen auf mindestens 20,0 Millionen steigen. Die Zahl der ab 80-Jährigen wird dagegen noch bis Mitte der 2030er Jahre relativ stabil bleiben und zwischen 5,8 und 6,7 Millionen betragen. Danach wird die Zahl der Hochaltrigen und damit voraussichtlich auch der Pflegebedarf in Deutschland massiv zunehmen.“

3

Was machen wir mit fast 30 Millionen Rentnern? Die Gegenwart ist komplex und die Zukunft eine komplexe Katastrophe. Der einzelne schirmt sich mit Kopfhörern ab und verliert sich in den sozialen Medien und den Streaming-Diensten. Entfremdet von seinen Bedürfnissen nach Bewegung und sinnvoller Beschäftigung, konsumieren die Menschen ihr Leben wie eine Neflix-Serie. Konsum gegen die Ohnmacht. Eingeklemmt in einem Bullshit-Job durch Kinder, Haus und Auto erledigen die Menschen ihre Arbeit, ohne irgendein handfestes Ergebnis zu sehen.

Unsere Perspektive

Wir arbeiten auf zahlreiche Katastrophen hin: Klimawandel, vergiftete Nahrungsmittel, Mikroplastik überall, Tierarten sterben aus, Wasserknappheit, die Schere zwischen arm und reich spreizt ihre Beine immer weiter. Die Menschen werden immer älter, die Infrastruktur ist marode, die Bildung unserer Kinder oder Enkel ist im Sinkflug und dazu wird noch alles teurer. Diese Perspektive gepaart mit einer Berichterstattung, die sich von Skandal zu Skandal hangelt und dem einzelnen seine Ohnmacht vor Augen führt. Das macht mir Sorgen.

Musk, Zuckerberg und Bezos empfinden diese Ohnmacht nicht. Die Spaltung zwischen den Habenden und den Nicht-Habenden ist eklatant. Die Reichen fliegen im Privatjet durch die Welt und die Armen nähen Hosen für ein paar Euro im Monat zusammen. Ungerechtigkeit lässt die Demokratie verwahrlosen. Bundestagsabgeordnete, die sich bereichern, EU-Abgeordnete, die sich schmieren lassen, Unternehmensführer, die sich abfällig über Menschen äußern und Präsidenten, die in Umkleidekabinen was auch immer machen und das alles fast ungestraft.  

Der Skorpion, der den Frosch sticht

Deswegen ist die Sorge um diese Staatsform eng verbunden mit dem Gefühl, dass keiner der Profipolitiker sich wirklich traut bzw. gar nicht die Macht hat, mit Transparenz und guter Kommunikation die geeigneten Änderungen einzuleiten. Denn die Macht scheint in den Händen der Konzerne und deren Lobbykötern zu liegen. Menschen, die wider besseres Wissen den Stillstand fordern um weiter Profit zu machen, denn die Zeche zahlen am Ende sowieso die anderen. So kämpfen sie gegen eine Zuckersteuer, wollen kein Tempolimit, sind für die Zulassung des Verbrennermotors auch bis ins Jahr 4356!, sie wollen Agrasubventionen für die Fläche und nicht für die Qualität,…  Was macht man mit solchen Leuten?

Tatsächlich halte ich die Ohnmacht des einzelnen gegenüber der Politik, den Konzernen und den Medien für die größte Gefahr für die Demokratie. Die Bürger sind nicht besser als die da oben, keine Frage. Aber wenn der Fahrradhändler um die Ecke versucht ein paar Steuern zu „sparen“, indem er sich lieber bar bezahlen lässt als mit der EC-Karte, hat das eine andere Dimension, als wenn Unternehmen sich Milliarden von Steuern erstatten lassen, die sie nie gezahlt haben. Die kriminelle Energie ist unvergleichlich und bestärkt den Glauben an das Mantra: Die kleinen fängt man, die Großen lässt man laufen.

So haben wir Untätigkeit der Politik, gepaart mit zahlreichen Katastrophen, Skandalen, riesigen Baustellen und Ungerechtigkeit  auf der einen Seite. Den Bürger und seine Ohnmacht auf der anderen. Das Ergebnis lautet: Demokratie funktioniert nicht.  

Um die Welt noch schrecklicher zu machen und die Reizüberflutung als Normalzustand zu etablieren, leisten Werbung und die unfassbare Masse an Information ihren Beitrag. Die blinkenden Litfaßsäulen der Gegenwart: Facebook, TikTok und Co versuchen sich als Informationsquellen und sind doch nur der verlängerte Arm der Milliardäre und Techunternehmen, die ihre eigenen Fakten verbreiten. Beeinflussung von Wahlen, der Sturm auf das Capitol, Sammeln und auswerten von Personendaten und die Förderung von falschen Informationen, sind nur einige Beispiele für den Einfluss der genannten Gruppen.

Und jetzt? 

Weiter im Klein klein des normalen Wahnsinns? Was anderes erscheint unrealistisch. Die Politik bewegt sich ein Stück nach vorne um dann wieder zurück zu laufen oder zu rudern. Die Aufhebung der CO2 Ziele für die einzelnen Ministerien sind ein famoses Beispiel dafür. Jedes ambitionierte Vorhaben wird in den ideologischen Mühlen der Parteien zu einem aufgeweichten Keks. Neben all dem oben gesagten, ist es dieses Verhalten, dass die Demokratie wie von einem Pilz befallen erscheinen lässt. Dieser Pilz breitet sich aus und dann…


Quellen

  1. https://www.forschungsgruppe.de/Aktuelles/Politbarometer/
  2. https://www.deutschlandfunk.de/iglu-studie-2021-lesekompetenz-kinder-100.html#:~:text=IGLU%2DStudie%202021-,Viertklässler%20in%20Deutschland%20können%20immer%20schlechter%20lesen,als%20noch%20vor%2020%20Jahren.
  3. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/12/PD22_511_124.html#:~:text=WIESBADEN%2FBERLIN%20–%20Bis%20Mitte%20der,und%206%2C7%20Millionen%20betragen.

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