Werbung? Was soll das noch bringen?

Durch einen geheimen Algorithmus von YouTube habe ich die „McDonalds. Die Insider “-Doku vorgeschlagen bekommen und angesehen. Vieles davon ist absurd und verrückt. Dann ging es um das Marketing und wie aufwendig die Burger für die Werbefotos vorbereitet werden. Daraufhin kam der obligatorische Vergleich des Werbefotos und dem, was wir aus der Verpackung ziehen. „Ernsthaft“, habe ich gedacht. Wer ist denn noch so naiv und glaubt einem Werbefoto?

Hübsche junge Frauen und Männer mit durchtrainierten Körpern machen Werbung für Bier oder Schokolade. Bei jeder Tiefkühlpizza können wir das Foto der Verpackung sofort mit dem realen Bild auf dem Teller vergleichen und sind desillusioniert. Noch realitätsferner sind nur noch Dosensuppen. Auf meiner Verpackung für 10 Eier steht, dass diese Klimaneutral sind und ich bin mir vielleicht sicher, dass ich es möglicherweise glauben könnte. Diese ganzen Markting-Gags beleidigen jeden, der eine Chips-Tüte aufmachen kann. Glaubt wirklich noch jemand, das es sich dabei um die Wahrheit handelt? Oder auch nur um einen kleinen Bruchteil von Wahrheit? Mein liebstes Beispiel zurzeit ist der Deutschlandtakt der Deutschen Bahn. Reinste Realsatire.

Werbung zur Klimaneutralität ist gerade der Trend, aber eben ich nicht mehr.
Foto: Markus Hansen
Wer es glaubt wird selig. Greenwashing oder einfach nur Augenwischerei auf einem Eierkarton | Foto: Markus Hansen

Geld für Werbung? Für den Glauben.

Das absurde System hält sich selbst am Laufen. Die Werbetreibenden berichten den Unternehmen in schönen farbigen Bildchen und Charts, wie erfolgreich ihre kreative Höchstleistung war. So schleicht sich dieses Axiom langsam durch die Hierarchie bis ganz nach oben. Dort angekommen erklärt der CEO dann nach unten: „Weiter so.“, und dann geht es wieder von vorne los. Das ganze erinnert an des „Kaisers neue Kleider“, nur intelligente Menschen können den Erfolg der Werbung erkennen.

Die Milliarden, die Facebook und Google besitzen, haben sich angehäuft, weil Unternehmen jede Menge Hoffnung in Form von Werbung auf uns niederprasseln lassen. Facebook lebt wie ein Parasit von den Ausdünstungen seiner Mitglieder gepaart mit deren Daten und Google sucht in den Mülldeponien des Internets nach den gewünschten Inhalten. Hier kommen die Top 6 Suchbegriffe aus dem Jahre 2021: Amazon, YouTube, Bild, Übersetzer, Facebook und Wetter. (1) Sie verkaufen den Glauben, dass mehr Werbung noch mehr Umsatz und damit noch mehr Gewinn generiert. Aber ist das wirklich so?

Was bringt Werbung?

Wenn ich die ZEIT durcharbeite, achte ich nicht auf die Werbeanzeigen. Wenn ich fern sehe – eher Netflix, also ohne nervige Unterbrechungen – gehe ich beim Werbeblock auf die Toilette. Auf Webseiten schaue ich nicht auf die Anzeigen. Prospekte in meinem Briefkasten landen im Altpapier. Werbeplakate nehme ich gar nicht mehr wahr. Anzeigen in der App WortGuru zum Beispiel machen mich eher wütend und ich drehe das Handy um. Sobald das Symbol zum Überspringen der Werbung erscheint, drücke ich darauf.

„Professor Steve Levitt von der University of Chicago wurde von einem Unternehmen, das jährlich fast eine Milliarde Dollar pro Jahr für Werbung ausgibt, um Hilfe gebeten. Man wisse nicht(!), ob die Werbung funktioniere oder nicht. Levitt fand einen Testmarkt, in dem die Zeitungswerbung vier Wochen lang ausgesetzt wurde. Das Ergebnis: Es hatte nicht den geringsten Effekt auf den Umsatz. Die Werbung schien also wirkungslos zu sein. Prof. Anna Tuchman von der Northwestern University Kellog School of Management befasst sich seit Jahren mit der Werbewirkung von TV-Kampagnen. Sie wertete in einer Meta-Studie 288 Marken aus, die im Fernsehen warben und kam zum Ergebnis, dass eine unmittelbare Kausalität zwischen TV-Werbung und Umsatz der beworbenen Marken wissenschaftlich nicht nachweisbar sei.“ (2)

Dass Werbung nicht mehr den Nutzen hat oder noch nie hatte, wie vielleicht irgendwann einmal, ist also bekannt. Wissenschaftlich untermauert und trotzdem werden wir auf jede erdenkbare Weise mit Werbung belästigt. Im Radio, auf Webseiten, im Bus, in der Bahn, auf Straßen und Plätzen, in Zeitschriften und Zeitungen, bei Sportereignissen und wo sonst noch überall. 

„Die Werbeausgaben des Konsumgüterkonzerns Procter & Gamble lagen im Jahr 2022 in Deutschland bei rund 1,47 Milliarden Euro. Hierunter fallen zum Beispiel Marken wie Gillette, Oral-B oder auch Wick. Somit handelt es sich um den Werbungtreibenden mit den höchsten Werbeinvestitionen innerhalb dieses Zeitraums. Mit rund 698,1 Millionen Euro Werbeausgaben folgt der Süßwarenhersteller Ferrero und dahinter das Discounterunternehmen Lidl. Auf dem vierten Platz lag der E-Commerce-Gigant Amazon.“ (3)

Einige steigern ihre sinnfreien Ausgaben auch noch:

„Im Jahr 2021 lagen die Bruttowerbeaufwendungen von McDonald’s in Deutschland laut Nielsen Media Research bei rund 190,2 Millionen Euro. Damit sind die Aufwendungen der Fast-Food-Kette im Vergleich zum Vorjahr um knapp 24 Millionen Euro gestiegen.“ (4)

Das viele Geld hätte sich auch gut auf dem Konto der Menschen gemacht, die in den unteren Gehaltetagen für diese Firmen arbeiten. Stattdessen fliegt der Amazon-Gründer Bezos lieber ins Weltall. Werbung will auch Vertrauen schaffen und ich würde mir wünschen, dass dieses als neues Ziel ausgerufen werden würde. Zum einen: weniger ist mehr und zum anderen: Wahrhaftigkeit.

Ein grünes Image dank Werbung

Besonders eklatant fällt das mit der Wahrhaftigkeit nicht nur bei Faltencremes auf, sondern bei dem sogenannten Greenwashing. Viele Unternehmen möchten zeigen, dass sie Verantwortung übernehmen und pflastern ihre Produkte mit Labels und Versprechen zu, wie sonst nur Overalls von Formel-1-Piloten. Wenn dann genau hingesehen wird, dann wird meistens nur Geld bezahlt, um sich CO2 Zertifikate zu kaufen oder ein Wald aufgeforstet, wo schon längst ein gesunder Wald steht oder es werden Millionen Bäume gepflanzt im Lummerland. 

Dass der Kinderriegel Milchkammern hat oder Nutella zu einem gesunden Frühstück gehört, geschenkt. Aber es ist an der Zeit, sich diesem aus dem Ruder gelaufenen Werbewahn zu stellen. So wie zu viel Antibiotika zu einer Resistenz führen kann, so wird zu viel Werbung zu weniger Aufmerksamkeit führen und sich einfach nur totlaufen. Ein Unternehmen, das seine Angestellten fair bezahlt, Herr Bezos, bekommt sehr viel kostenlose Werbung. Ein Unternehmen, dessen Produkte tatsächlich umweltfreundlich hergestellt werden, bekommt Kunden, die dieses Produkt weiterempfehlen. 

Die Werbung sorgt angeblich für eine Medienvielfalt, da sich viele Zeitungen, Zeitschriften und Radiosender dadurch finanzieren, aber sind diese Medien nicht in der Hand von einigen wenigen? Funke Medien Gruppe, Springer, Burda, Bertelsmann und Co besitzen doch den Mainstream und ob das am Ende Vielfalt ist, wenn überall das Gleiche steht oder gesagt wird, wage ich zu bezweifeln. Es gibt zahlreiche Apps, die Werbung beinhaltet, die von einem Spiel unterbrochen wird und nicht umgekehrt.

“Tuchman geht sogar einen Schritt weiter und behauptet, dass die meisten der beobachteten Marken zu viel in Werbung investierten und dadurch ein negativer Return-on-Investment (ROI) entstünde. Sie täten besser daran, ihre Werbespendings zu kürzen. Die Erforschung des ROI zeige, dass die Wirksamkeit von TV-Kampagnen im Vergleich zu bisherigen Annahmen um das 15- bis 20-fache überschätzt würde.“ (2)

Was nun?

Ich mag das Abo-Modell nicht, mit dem viele Software-Hersteller gerade versuchen am Leben zu bleiben, aber vielleicht ist das die Lösung. Ich bin Realist und bezweifle, dass auch nur irgendeiner der Beteiligten dieses System ändern möchte. Die Spackos von Jung von Matt und Co werden ganz bestimmt weiterhin ihre überteuerten Kreationen an die gut zahlenden Kunden verkaufen. Fernsehsender werden auch nicht aufhören, ihre Einnahmen steigern zu wollen, um geplagte Werbopfer zu entlasten. Obwohl einige von diesen Sendern schon einen Abopreis bekommen, und zwar viel mehr, als Netflix von mir bekommt. Am Ende dieser ganzen Worte bleibt sehr wahrscheinlich alles wie es ist und wir werden weiter belogen und verarscht. Ich werde diesen Artikel auf X bewerben und hoffen, dass ihn jemand liest und liked. Schon krank das Ganze.


Quellen

  1. https://www.semrush.com/blog/de/top-google-suchanfragen/
  2. https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/werbesprech-wirkt-werbung-ueberhaupt-nicht-oder-nur-falsch/26962092.html
  3. https://de.statista.com/prognosen/164632/groesste-werbungtreibende-nach-werbeausgaben-2010
  4. https://de.statista.com/prognosen/1173959/bruttowerbeaufwendungen-von-mcdonalds#:~:text=Im%20Jahr%202021%20lagen%20die,knapp%2024%20Millionen%20Euro%20gestiegen.

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