Das Leben ist absurd und vieles in der Wirtschaft ist mehr als absurd, wie z.B. der Handel mit Derivaten. (1) Eine wirklich, wirklich absurder Teil des Kapitalismus ist die alles durchdringende Werbung, die uns mit Anzeigen, Flyer, Filme, Plakate und jede Menge anderes Zeug anschreit und seufzend um flüchtige Aufmerksamkeit buhlt. Sie will manipulieren, einen Kaufreflex auszulösen. Mit Hilfe von dummen Bildern.
Zum Beispiel: Die Produktion von Erdbeerjoghurt, der von einer hübschen Frau in ihrer Küche hergestellt wird , mit schöneren Erdbeeren, in einer Holzschüssel, in aller Ruhe und ganz alleine.
Werbung ist der Handlanger des Kapitalismus. Wir müssen Konsumieren, am Besten auf Pump. Immer mehr besitzen und anhäufen, bis jeder Raum und jeder Schrank voll ist mit nutzlosen Produkten. Schauen Sie ruhig mal bei sich in den Schrank oder in die Kommode. Unternehmen, die etwas herstellen, müssen diese verkaufen um Geld zu verdienen. Um die Produkte an den Mann und an die Frau zu bringen werben sie für ihre Produkte. Aber was ist, wenn alle so ein Produkt besitzen? Dann muss ein neues Produkt her, das etwas kann, was das alte nicht kann und schon wird ein Bedürfnis erzeugt. Das alte Produkt landet im Müll, wird verkauft oder kommt in eine Schublade und das Spiel beginnt von vorne.
Das alles dient dem Zweck, uns daran zu hindern zu leben ohne sinnlosen Überfuß. Ohne Ballast. Wünsche wecken und den Geist betäuben.
„Zu den Hauptgründen für Galbraiths Unbehagen gehörte seine Beobachtung, dass die amerikanische Nachkriegsgeneration ein scheinbar grenzenloses Verlangen danach hatte, unnötige Dinge zu kaufen. Nach seiner Überzeugung waren die materiellen Bedürfnisse der meisten US-Amerikaner etwas ebenso «Hergestelltes» wie die Produkte, die sie kauften, um diese Bedürfnisse zu stillen. Weil die existenziellen Grundbedürfnisse der meisten Menschen problemlos befriedigt werden könnten, verlegten sich, so seine These, die Hersteller und die Werbebranche darauf, neue künstliche Bedürfnisse zu wecken, um das Hamsterrad der Produktion und des Konsums am Laufen zu halten, anstatt dass die Menschen ihre Ressourcen in die Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen investierten.“ (2)
Das also Unternehmen für ihre Produkte werben ist die eine Sache, die andere ist ein Unternehmen zu gründen, das nur darauf gründet, Werbung zu zeigen und zwar so dicht am Kunden wie es geht. Google und YouTube haben im analogen Sinne einen Marktplatz erbaut, zu dem so viele Leute kommen, das die Unternehmen unbedingt dort ihre Produkte zeigen müssen, damit es sich lohnt und es lohnt sich – für Google und YouTube.
„Der Werbeumsatz von YouTube, das zu Google gehört, betrug im Jahr 2019 rund 15 Milliarden Dollar.“ (3)
In unserer Gesellschaft gibt es diesen absurden Zusammenhang zwischen Geld und Macht. Wer von dem einen viel sein eigen nennt, bekommt das andere als Bonus dazu. Diese Macht in den Händen von Menschen, denen es vornehmlich darum geht, die geschenkte Macht auszubauen um dann noch mehr Geld zu erwirtschaften um dann noch mehr … ist es deutlich geworden? Der Einfluss der werbebasierenden Dienste wie Facebook und Twitter auf politische Wahlen ist in den letzten Monaten mehr als deutlich geworden und es ist keine gute Entwicklung, wenn einzelne Unternehmer so viel Einfluss auf die Meinungsbildung der Öffentlichkeit besitzen.
So erscheint der massive Versuch von Amazon sich als toller Arbeitgeber in Anzeigen und Werbefilmchen zu präsentieren das perverse der Werbung zu offenbaren. Amazon wird beschuldigt, in den USA schwangere Frauen gefeuert zu haben, weil diese zu oft auf dem Klo waren. (4) Das erinnert sehr an das „Neusprech“ aus Orwell‘s Roman 1984. Es ist die Grundlage für die Werbung „Extraportion Milch“ in der Kinderschokolade, „Freude am Fahren“ bei BMW.
Die ganzen Wir-kümmern-uns-darum-Versprechen von Banken, Versicherungen und anderen Dienstleistern. Baumärkte, die mit Beratung werben, aber wann findet man so einen Mitarbeiter in den unendlichen Weiten dieser Regalwelt?
Grob vereinfacht lässt sich sagen, das mit Halbwahrheiten und/oder dem Verschweigen von Fakten viele Menschen viel Geld verdienen.
„Im Jahr 2019 wurden laut Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW e.V. rund 4,4 Milliarden Euro durch Fernsehwerbungeingenommen. “ (5)
Hat die Omnipräsenz der Werbung nicht schon längst ihre Wirkung verloren? Alles wird durch Werbung unterbrochen. Das Fernsehprogramm, Filme bei YouTube oder im Fernsehen, Spiele, Apps, Zeitungsartikel und Werbung an Bushaltestellen, Häuserwänden und Displays durchbrechen die Umgebung.
Was Unternehmen bezahlen, um ihre Produkte zu vermarkten ist unfassbar.
„41.700 Euro für 20 Sekunden: Die „Tagesschau“ ist aus Werbesicht die teuerste News-Sendung. „RTL Aktuell“ nimmt mit 20.000 Euro nur halb so viel pro 20-Sekunden-Spot ein.“ (6)
Wer immer „Wolf“ ruft, dem glaubt man nicht mehr, wenn der Wolf dann vor der Tür steht.
Es ist zu viel, es ist zu schlecht und möglicherweise ohne Wirkung. Ironisch ist, das viele Apps den Benutzer zum Kauf der Vollversion anregen, indem sie auf die Werbefreiheit hinweisen, wenn man die App bezahlt. Das Abschalten der Werbung ist eine Befreiung und damit ein Feature?
Die Suchanfragen bei Amazon, Google oder Zalando werden zum hoffentlich ersehnten Wissen über die Wünsche des potentiellen Kunden durch Algorithmen untersucht. Damit soll dann das Konsumverhalten, die Kaufabsichten oder einfach nur ein Interesse dem Unternehmen noch vor dem Kunden klar sein um ihm dann mit der passenden Werbung traktieren zu können. Es lebe der Algorithmus und es macht deutlich, warum das Tracking, das bei einigen Smartphones jetzt werkseitig abgestellt ist, die Werbebranche so verletzlich erscheinen lässt. (7)
Das perfide an den Werbeabteilungen ist, das einverleiben von Trends als Verkaufsargument um das möglicherweise schlechte Gewissen der Konsumenten zu beruhigen. Jetzt ist Nachhaltigkeit ein großes Thema. Dann bewegt sich auch etwas und die Produkte haben weniger Plastik, oder die Verpackungen sind zu einem großen Prozentsatz recycelbar oder wiederverwertbar, was nicht das selbe ist. So wird Umweltschutz ein Verkaufsargument, dabei besteht die Gefahr, das der Umweltschutz und die ernsthafte Beschäftigung mit Nachhaltigkeit aufgeweicht wird wie Fahrstuhlmusik den Genuss von Musik aufweicht oder verflacht. Ich kann weiterhin viel kaufen, es ist ja umweltschonend. Nein! Besonders bescheuert war die Werbung, die das Schützen des Regenwaldes und das saufen von Bier in einer unfassbar dummen Kombination beworben hat. Erfreulicher weise wurde der Blödsinn verboten. (8)
Erich Fromm schrieb schon 1974 folgendes:
„Unser heutiges Leben in der Industriegesellschaft arbeitet fast ausschließlich mit derartigen «einfachen Reizen». Stimuliert werden dabei Triebe wie sexuelles Begehren, Gier, Sadismus, Destruktivität und Narzißmus. Vermittelt werden diese Reize durch Filme, Fernsehen, Radio, Zeitungen, Magazine und den Gebrauchsgütermarkt. Im großen und ganzen beruht die gesamte Reklame auf der Stimulierung von Wünschen, die durch die Gesellschaft erzeugt werden. Der Mechanismus ist immer der gleiche: einfache Stimulation direkte und passive Reaktion. Hierin liegt der Grund, weshalb die Reize sich ständig ändern müssen, um nicht ihre Wirkung zu verlieren. Ein Auto, das uns heute aufregend erscheint, wird uns in einem oder zwei Jahren langweilig vorkommen — deshalb muß man sich auf der Suche nach neuer Erregung ein anderes kaufen. Ein Ort, den man gut kennt, wird automatisch langweilig, so daß man sich Erregung nur dadurch verschaffen kann, daß man verschiedene Orte aufsucht, und zwar so viele wie möglich auf einer Reise. In einem solchen Kontext müssen die Sexualpartner ebenfalls gewechselt werden, wenn sie einen Reiz ausüben sollen.“ Erich Fromm „Anatomie der menschlichen Destruktivität“, 1974
Wo soll die Reise hingehen, wenn der Reiz drastischer werden muss, um noch Gehör zu finden? Klingeln Jeff und seine Freunde bald an der Haustür, wie früher die Staubsaugervertreter und Hausierer? Sollten alle Produkte nur Wahrheitsgemäß beworben werden? Marktanteile können auch gewonnen werden, wenn ein Unternehmen gute Produkte herstellt, Steuern zahlt, seine Arbeitnehmer und die Umwelt fair behandelt. Weniger unrealistische Versprechungen scheinen keine großen Gewinne zu generieren, aber vielleicht ist die Richtung vernünftig.
Minimalismus ist auch ein Trend. Weg vom Auto, hin zum Fahrrad. Selber kochen statt TK-Pizza. Die Macht des Verbrauchers ist genauso groß wie die heterogene Meinungsvielfalt und das macht es nicht leichter die Richtung zu finden, die es braucht um die Anzahl an Missständen und Ungerechtigkeiten zu minimieren.
Klar ist eines, Wachstum um jeden Preis und jedes Jahr lauter, bunter und dümmer erscheint keine große Verlockung für die Zukunft.
- https://www.finanzfluss.de/geldanlage/derivate/
- James Suzman „Sie nannten es Arbeit – Eine andere Geschichte der Menschheit“ C. H. Beck, 2021 – Seite 316
- Die ZEIT – No 6 – 4. Februar 2021 – Seite 1 – „Geld und Ohnmacht“ von Heinrich Wefing
- https://www.sueddeutsche.de/bayern/vorwuerfe-gegen-amazon-regelrecht-ausgeliefert-1.2666594-2
- https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76850/umfrage/einnahmen-am-tv-werbemarkt-seit-1998/ und siehe 9
- https://www.focus.de/kultur/kino_tv/welcher-sender-ist-wertvoller-werbung-vor-news-soviel-kostet-ein-spot-vor-der-tagesschau-und-vor-rtl-aktuell_id_4485273.html
- https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/apple-tracking-faq-101.html
- https://www.spiegel.de/panorama/verbotene-werbung-kein-schlueckchen-bier-fuers-stueckchen-urwald-a-202575.html
- https://www.heise.de/news/Verband-Umsatz-mit-Online-Werbung-knackt-4-Milliarden-Marke-5077251.html?wt_mc=nl.red.ho.ho-nl-daily.2021-03-11.link.link
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