Wenn einer furzt, müssen es alle riechen!

Ich bin versucht, der Welt und dem Dasein etwas Positives abzugewinnen. Aber es erscheint unmöglich. Mit allen Mitteln versuchen die Menschen ihren Wohnort gegen die Wand zu fahren. Elektroautos sind Klimaneutral? Nö! Der grüne Punkt hat etwas mit Recycling zu tun? Schön wärs. Kriege, Vertreibung, Hungersnöte, Elend, Sklaverei, Zerstörung, Extremismus …

Wir –  also wir Deutsche –  sortieren Müll, damit er nach Asien oder in die Türkei verschickt wird (5). Dort suchen dann Kinder nach brauchbaren oder sortieren den Plastikmüll. Wir fahren elektrische Autos, Räder oder Roller, und in den argentinischen Anden zerstören Menschen dafür die Umwelt, um für uns Lithium zu gewinnen. Von den Arbeitsbedingungen in China, Indien, Korea und sonst wo will ich gar nicht sprechen.
Damit ich mich mit warmen Werbeversprechen dem wohligen Gefühl der Nachhaltigkeit hingeben kann, müssen woanders Menschen leiden. Lithium, Seltene Erden, Erdöl, Gas, Gold, Kakao, Fleisch, Soja und alle anderen Rohstoffe, die ich nicht mal genau kenne, werden für unseren Verbrauch rücksichtslos aus der Erde gerissen.

Es ist alles viel zu wundervoll

Werbefilmchen, die ein einsames Auto zeigen, das durch die leere Stadt fährt und seine umweltfreundlichen Eigenschaften hervorheben, gar die Freiheit, die wir damit gewinnen, lullen uns ein. Belügen uns. Es gibt zu viele Faltencremes, die sofort jung machen, tausende Shampoos, die den verfilzten Kopf entwirren, unzählige Chipsorten, Süßigkeiten und Fertigprodukte. Von all dem ist viel zu viel vorhanden.

Ein bisschen verzichten

In der Coronazeit wird gerne, meist gönnerhaft, von Verzicht gesprochen. Vom weniger. Was ist mit den Menschen, die schon jahrelang für uns verzichten müssen, die, für uns auf Wohlstand, Bildung und ein gutes Auskommen verzichten müssen, damit wir hier Diskussionen führen können, dass wir vielleicht von allem etwas weniger verschwenden sollten? Die Erde ist rund und einzigartig und wenn einer furzt, müssen es alle riechen.

Es ist uns egal. Wir wollen über Verzicht reden und kluge Artikel schreiben, aber was uns wirklich umtreibt, sind Vollpfosten, deren „Freiheit“ in Gefahr ist, weil sie eine Maske tragen müssen. Verzichten sollen auch hierzulande immer die gleichen. Wie wäre es denn mal mit denen, die schon gar nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Geld? Das könnten sie dann mal sinnvoll einsetzen, um zum Beispiel die menschenunwürdigen Zustände im Flüchtlingslager Moria und jetzt in Kara Tepe (4) zu beseitigen. Wie kann Europa das zulassen? Wo es doch offensichtlich ist, dass diese Zustände mit dem, was Europa im Überfluss besitzt, gemildert, wenn nicht gar gelöst werden könnte: Geld. Wo ist es? Warum liegt es faul in der Sonne auf irgendwelchen Südseeinseln herum? Es wird gebraucht. Gebraucht, um Leben zu retten. Wieso macht Geld Urlaub in der Schweiz?

Nur ein paar Milliarden

Das Geld benötigt wird, um die Armut zu beseitigen, ist schon seit hunderten von Jahren bekannt. (Thomas Paine, 1797). Genauso bekannt und viel älter ist die Ignoranz und der Egoismus. Es müsste aber nicht so sein. Das ist das Fatale daran. In der Ausgabe der ZEIT (No 52) bekundet David Beasley, der Chef des Welternährungsprogramms, dass er die Milliardäre um Geld anhauen möchte, um den Menschen in Afrika helfen zu können.

ZEIT: Jüngst haben Sie einen Appell an Milliardäre gerichtet, einen Teil ihres Vermögens zu spenden, um den Hunger zu bekämpfen.

Beasley: Es gibt mehr als 2200 Milliardäre auf der Welt, mit einem Nettovermögen von etwa zehn Billionen US-Dollar. Billionen! Das ganze Vermögen der Welt beträgt etwa 360 Billionen Dollar. Diese Zahlen allein beweisen doch, dass niemand hungern sollte. Nun stehen wir vor einer nie da gewesenen Krise. Und alles, was ich brauche, sind fünf Milliarden Dollar, um eine Hungersnot zu verhindern. Ist das zu viel verlangt? Ich meine: Come on! Milliardäre, zeigt der Welt, dass sie euch nicht egal ist! Jeff Bezos, gib mir nur so viel, wie du an einem Tag verdienst! Allein zwischen April und Juli ist das Vermögen der Milliardäre um 27,5 Prozent gewachsen. Ich weiß, dass es wenig Aussicht hätte, sie um regelmäßige Beiträge zu bitten – auch wenn ich die gut fände. Aber worum es mir geht, ist eine einmalige Spende. Jetzt.“ (1)

Kleine Anmerkung: eine Billion sind tausend Milliarden.

Statt sich einfach mal von der Hälfte seines sinnfreien Vermögens zu trennen und der Welt und seinen Bewohnern etwas zurückzugeben, fordert Jeff, dass seine Arbeiter zuerst gegen Corona geimpft werden sollen (2). So sieht es aus, nach Jahren des Fortschritts, gibt es diesen Rückschritt: Fabrikbesitzer wollen, dass ihre ausgebeuteten Arbeiter gesund bleiben, um ihnen noch mehr Geld einzubringen.

Ein Mann sucht mit einem fernglas in der Hand die Gerechtigkeit.
Die Suche nach dem Sinn, dem Positiven, der Menschlichkeit.

Darf es auch ein bisschen mehr sein?

Muss ein Mensch so viel Geld besitzen? Darf jemand, der die Möglichkeit hat Menschen zu retten es nicht tun? Was ist mit der Verantwortung? Wo bleibt die Menschlichkeit? Sollte das nicht die Währung sein? Das Forbes Magazin sollte mal eine Liste mit den Menschen erstellen, die die Menschlichkeit nach vorne gebracht haben oder besser noch bringen?

Das Geld ist da. Der Wille fehlt. Denn wenn es denen gut geht, auf deren Elend unser Wohlbefinden ruht, was wird dann aus uns? Damit sich so eine Frage in Deutschland gar nicht erst stellt und weil unsere Solidargemeinschaft auch weiterhin nur für die schweigende Masse gilt, hat Angela schon mal klargestellt:

„Zur Finanzierung der zusätzlichen Schulden durch die Corona-Pandemie hat Bundeskanzlerin Merkel die Einführung einer Vermögensabgabe ausgeschlossen.„

DLF (16.12.2020)

Das übernimmt der Steuerzahler, und zwar der kleine, die breiten Schultern, die mehr tragen könnten, werden nicht belastet. Es ist ja schon schwer genug fast 200 Milliarden zu tragen. Armer Jeff. Arme Beate. Armer Karl, …(3)

Aber halt. Sie haben sich bewegt. Sie haben die Not erkannt, ihren „Le Petit Prince Solitaire Le Grand“ Füllfederhalter gezückt und:

„… haben als Antwort auf Covid-19 zwischen März und Juni 2020 mehr als 200 Milliardäre insgesamt 7,2 Milliarden Dollar gespendet. Das Geld sei unter anderem in Stiftungen und Krankenhäuser sowie in den Kauf von Gesichtsmasken und Beatmungsgeräten und den Bau von Impfstoffproduktionsanlagen geflossen. Die mit Abstand meisten Spenden kamen aus Amerika, wo freilich auch die meisten Ultrareichen wohnen.“(3)

Applaus, aus einer leeren Halle, von nur zwei Händen in langsamen Tempo. Ironie! 

Besonders Impstoffproduktionsanlagen sind bestimmt selbstlose Spenden. Haha.

So bleibt nur eins, das ist zwar traurig, aber dann haben wir es hinter uns.

„Da Reichtum und Zivilisation ebenso viele Kriegsursachen in sich bergen wie Armut und Barbarei, da Wahnwitz und Bosheit der Menschen unheilbar sind, so bleibt eine gute Handlung zu vollbringen. Der Weise wird Dynamit genug sammeln, um diesen Planeten in die Luft zu sprengen. Wenn er zerstückelt durch den Raum rollt, wird eine – obschon nicht wahrnehmbare – Verbesserung in der Welt geschehen sein und eine Genugtuung für das Weltbewusstsein, das übrigens nicht existiert.«“

Anatol France „Die Insel der Pinguine“

POW!


Quellen

  1. DIE ZEIT – No 52 – 10. Dezember 2020 – Seite 7 – „Zu viel Geld fehlt!“ Interview mit David Beasly (Chef des Welternähhrungsprogramms der UN) geführt von Lea Frehse und Samiha Shafy
  2. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/amazon-impfung-verdi-corona-ansteckung-101.html
  3. https://www.google.de/amp/s/m.faz.net/aktuell/wirtschaft/die-reichen-werden-waehrend-der-corona-krise-immer-reicher-16989997.amp.html
  4. https://www.welt.de/politik/ausland/article222859216/Griechisches-Fluechtlingslager-Babys-von-Ratten-gebissen.html
  5. https://www.deutschlandfunk.de/umwelt-weniger-plastikmuell-exporte-ins-ausland.1939.de.html?drn:news_id=1214156

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