Erschöpft und kurz vorm platzen

Erschöpft. Die Menschen in der Ukraine, in Syrien, SriLanke, Afrika, und was weiß ich wo noch überall sind erschöpft. Auch in Deutschland sind die Menschen am Limit. Lehrer*innen, Verkäufer*innen, Erzieher*inn, Polizisten*innen, Reinigungskräfte sind erschöpft. Wir alle sind erschöpft. Die Anzahl der Menschen mit Burnout oder Depression steigt seit Jahren1 und der Wunsch vieler Menschen auf den früheren Ruhestand könnte ein Indiz dafür, das viele einfach nicht mehr können. Mehr als die Hälfte der aktuellen Beschäftigten möchte lieber mit 62 Jahren  – statt mit 67 –  in den Ruhestand gehen.2

Erschöpfter Mann in einer U-Bahn in Hamburg. | Foto: Markus Hansen

Durch den Alltag, die Arbeit und die komplexen Probleme vor denen wir alle stehen, werden die Menschen krank. Hinzu kommt, das der einzelne kaum Einfluss auf Entscheidungen – die ihn durchaus betreffen – hat. Was kann ein Mensch bewirken? Weder hat er Einfluss auf das, was mit seinen Steuern geschieht, noch kann Herr Meier die Klimakatastrophe im Alleingang stoppen. Das ist frustrierend.

Frustrierend ist es auch, wenn die berechtigten Proteste der Frauen und Männer, die im Iran oder China auf die Straße gehen, gewaltsam niedergeschlagen werden. Junge Iraner*innen werden gehängt, weil sie frei sein wollen und die „freie Welt“ schaut zu. Das viele Menschen in ihrer Heimat bleiben würden, wenn es sich dort vernünftig leben ließe, sollte jedem klar sein. Doch allzu oft verhindert die deutsche -, die europäische- oder die westliche Wirtschaftspolitik dies.

Unser Wohlstand hängt davon ab, das ein großer Teil der Weltbevölkerung im Dreck sitzt und für unsere Rohstoffe die eigene Umwelt und Gesundheit zerstören muss – siehe den Artikel von Johanna Roth im ZEIT Magazin no. 47 3 – um zu überleben. Das erhöht die Frustration ebenfalls. Obwohl es uns doch „noch“ so gut geht, sind wir trotzdem erschöpft. Wie kann das sein? 

Das, was den Menschen in den“reichen Ländern“ einen kurzen Moment von Sinn in ihrem Leben zu geben vorgaukelt, der Konsum, ist ein großes Stück vom vergifteten Kuchen von dem an dem wir uns nähren. Wir konsumieren und erzeugen damit Wachstum. Um zu konsumieren müssen wir arbeiten und auch damit erzeugen wir meistens Wachstum. Aber je mehr Kuchen wir in uns hinein werfen, desto fetter werden wir. Irgendwann platzen wir, wie Mr. Creosote, aus dem Film der „Sinn des Lebens“  von Monty Python. Aber ohne Wachstum geht es ja angeblich nicht, also werden wir unweigerlich platzen.

Klima, Corona, Krieg, Inflation, Rezession und dann gibt es noch die ganzen anderen Katastrophen, die für die Masse der Menschen auf den ersten Blick nicht wichtig zu sein scheint, die aber dafür sorgen, das es auch in kleineren, privatem Leben der Menschen zur Erschöpfung kommt. Das Gesundheitssystem ist überlastet. Die Schulen sind eine Katastrophe. Die Lage in den Kitas ist schrecklich. Die Preise steigen, die Straßen, Brücken und Schienen sind Marode und das ist nur ein kleiner Teil der Sorgen und Nöte. Die Politik klebt alles mit Geld zu und lässt dann eine PR-Firma die eigene kurzsichtige Handlung als großartigen und langfristige Lösung verkaufen. Der neue Satz des Bürgergeldes, der 50 Euro mehr als der jetzige Hartz IV-Satz beträgt, ist ja schon der Untergang der kapitalistischen Welt bzw. ein großer Erfolg der Politik, je nach dem, wer etwas dazu sagt. Dabei ist es nur ein Witz. 

Wir leben in einer Welt, die wie ein Haus ist, auf das immer noch ein Stockwerk gebaut wird, aber am Fundament wird nichts verändert.  Wenn jetzt eine Etage renoviert werden soll, dann bricht alles zusammen, aber wenn man noch ein Stockwerk baut, dann kracht auch alles zusammen. Trotzdem geht es munter weiter. Wir wachsen, fressen Kuchen und bauen Stockwerk auf Stockwerk. Und dann?

Einwanderung, Bundeswehr, Steuern, Pflege, Rente, Bildung, Medizin und Infrastruktur, all das sind die oben genannten Stockwerke , die eine grundsätzliche Änderung erfordern. Warum zahlen nicht alle in die Rentenkasse ein? Warum ist die Steuererklärung nur noch mit Hilfe von Software oder Beratern möglich? Warum müssen Krankenhäuser Gewinn machen? Wieso gibt es kein vernünftiges Einwanderungsgesetzt und dazu eine sinnvolle Integration? Warum brauchen wir fast 300.000 Soldaten, die dann zwei Tage schießen können und dann mit Steinen werfen müssen? Warum ist in Afrika der importierte, deutsche Joghurt billiger als der einheimische?

Dieses Land, diese Welt ist voll verkorkst. Alles hängt mit allem zusammen und die einzige Antwort, die Politiker und Unternehmen auf die großen Probleme haben ist: Geld und damit Wachstum. An das Märchen „Trickle-down“ glauben ja immer noch sehr viele und verteidigen damit ihre eigenen Pfründe. Lobbyisten verhindern weltweit sinnvolle Änderungen, sei es die Waffen-, die Zucker-, oder die Sonstwaslobby und zementieren damit ihren eigenen Untergang. Glückwunsch. Lobbyisten haben scheinbar keine Kinder.

Kann es nicht auch ohne Wachstum gehen? Wäre nicht eine gesunde Stagnation mal sehr erholsam? Wären wir vielleicht alle weniger erschöpft oder weniger ausgebrannt,  wenn es nicht immer nur um Wachstum gehen würde? Wenn wir die Globalisierung mal ernst nehmen würden? Wir sind eine Gemeinschaft und helfen uns gegenseitig? Statt immer nur zu schauen, wie kann ich noch mehr Geld aus dem weit entfernten Land rausholen?
Utopisch? Wahrscheinlich. 

Die EU hätte die Möglichkeit einen Anfang zu wagen, wenn es nicht dieses völlig undemokratische Konstrukt wäre, mit Einstimmigkeit, Hinterzimmer-Absprachen und Vetorechten. Wachstum kann nicht die Antwort auf die Zukunft sein. Schon gar nicht Wachstum für die einen und Armut für die anderen. Das ist jedem klar, der sich schon einmal ungerecht behandelt gefühlt hat. Wie erklärt man einem Kind, warum die Menschen in einem Land nichts zu essen haben und im anderen werden Tonnen von Nahrungsmitteln weggeworfen? Das verstehe ich leider auch nicht.

Neben den guten Ansätzen von Christian Felber4 zum Postwachstum oder auch Degrowth ist wohl Mut gefragt. Politiker*innen, die eine Vision haben und etwas verändern wollen. Auch gegen Widerstände anderer Parteien und die Interessen der kinderlosen Lobbyisten*innen. Den Mut etwas zu verändern und es vor allem gerecht zu verändern, nicht nur in Deutschland, sondern Global. Es gebe so viele Möglichkeiten dazu. Das Benzin teurer machen, eine Zuckersteuer, eine Kapitalertragssteuer, höhere Erbschaftssteuer, Senkung der Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel, eine extra Fleischsteuer und gerechte Preise für Landwirte. 

Was könnten wir für ein schönes Leben haben – ich meine alle Menschen – wenn Religion Privatsache wäre, die Wirtschaft dem Menschen dienen würde, die Gier als Straftat behandelt werden würde,  die Maslowsche Bedürnishierarchie (5)  auf der ganzen Welt für alle erfüllt ist und Unrecht  ein Relikt der Vergangenheit wäre. Eine Welt, in der die eine Hälfte eben nicht im Luxus lebt, während die andere kaum weiß, woher sie Trinkwasser oder etwas zu Essen bekommen kann. Sondern alle friedlich zusammen leben. Wo wir nicht Leben um zu arbeiten sondern arbeiten um zu leben.Utopisch? 


  1. https://brf.be/national/1486937/
  2. https://www.merkur.de/leben/geld/renteneintrittsalter-rente-eintritt-beitraege-geld-ruhestand-rentenversicherung-renteneintritt-zr-91929140.html
  3. ZEIT Magazin no. 47 vom 17.11.2022 – Johanna Roth „Das Monster schläft nie“ Seite 36
  4. https://www.oekorausch.de/wirtschaft-ohne-wachstum/ und https://christian-felber.at/christian-felber/
  5. https://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bedürfnishierarchie

Haben Sie schon etwas von der UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal gehört?

Leider ist es wichtiger einen LNG-Terminal zu eröffnen und mit einem riesigen Medienaufgebot einen Steg mit honorigen Gästen einzuweihen – die Ampelspitze war vor Ort – als über das massenhafte Aussterben von Tierarten zu schreiben. Das Thema wurde in der letzten Woche nicht besonders häufig erwähnt. Ist ja auch sperrig. Schon der Name ist Grund genug, nicht darüber zu berichten. Im Vorfeld der Konferenz – der Biodiversitätskonferenz – gab es die Frankfurter Erklärung. Dort haben zahlreiche Wissenschaftler zum „Schulterschluss zwischen Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft“ aufgerufen.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber selbst wenn die mangelnde Aufmerksamkeit für die Konferenz ein Indiz dafür wäre, das dort bahnbrechende Fortschritte gemacht werden würden. Mehr Konjunktiv geht nicht. Sind meine Erwartung an diese Konferenz nicht besonders hoch.

„Wir brauchen dringend eine entschiedene Trendwende – hin zu einer Wirtschaftsordnung, die für die Nutzung der Natur einen angemessenen Preis aufruft – nicht nur monetär. Nach der ernüchternden Bilanz des kürzlich zu Ende gegangenen Weltklimagipfels in Sharm-el-Sheikh gilt dies umso mehr für den Weltnaturgipfel in Montreal, der kommende Woche beginnt.“

https://frankfurter-erklaerung.eu

Klimaziele werden seit Jahren verfehlt und ich befürchte, das auch diese Konferenz nur eine Absichtserklärung abgibt. Viel Glück.

Und noch einer!

Es sind so viele, das es unmöglich erscheint sich diese Zahl vorzustellen. 2.800.000.000 (1) Plastikbecher pro Jahr. 2,8 Milliarden. Kann ich damit ein Fußballstadion füllen? Den Mond bedecken? Ein Kreuzfahrtschiff zum Sinken bringen?

Un noch einer. Plastikbecher in einem Mülleimer.
Und noch einer mehr auf den Haufen. Zu viele davon. Absolut zu viele davon. Foto: Markus Hansen

Es ist gut, das es Alternativen gibt, aber reicht das? Seit dem 3. Juli sind viele Plastikteile verboten (2), aber ob das greift? Das Umdenken dauert oft so lange, und wie das Bild zeigt gibt es noch jede Menge von diesen Problemfällen.


  1. https://m.tagesspiegel.de/politik/2-8-milliarden-einwegbecher-im-jahr-coffee-to-go-soll-bald-ohne-muell-funktionieren/24365980.html
  2. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/einwegplastik-wird-verboten-1763390

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Gewinne, Gewinne, Gewinne – Werbung ist…

Das Leben ist absurd und vieles in der Wirtschaft ist mehr als absurd, wie z.B. der Handel mit Derivaten. (1) Eine wirklich, wirklich absurder Teil des Kapitalismus  ist die alles durchdringende  Werbung, die uns mit Anzeigen, Flyer, Filme, Plakate und jede Menge anderes Zeug anschreit und seufzend um flüchtige Aufmerksamkeit buhlt. Sie will manipulieren, einen Kaufreflex auszulösen. Mit Hilfe von dummen Bildern.

Zum Beispiel: Die Produktion von Erdbeerjoghurt, der von einer hübschen Frau in ihrer Küche hergestellt wird , mit schöneren Erdbeeren, in einer Holzschüssel, in aller Ruhe und ganz alleine.

Werbung ist der Handlanger des Kapitalismus. Wir müssen Konsumieren, am Besten auf Pump. Immer mehr besitzen und anhäufen, bis jeder Raum und jeder Schrank voll ist mit nutzlosen Produkten. Schauen Sie ruhig mal bei sich in den Schrank oder in die Kommode. Unternehmen, die etwas herstellen, müssen diese verkaufen um Geld zu verdienen. Um die Produkte an den Mann und an die Frau zu bringen werben sie für ihre Produkte. Aber was ist, wenn alle so ein Produkt besitzen? Dann muss ein neues Produkt her, das etwas kann, was das alte nicht kann und schon wird ein Bedürfnis erzeugt. Das alte Produkt landet im Müll, wird verkauft oder kommt in eine Schublade und das Spiel beginnt von vorne.

Das alles dient dem Zweck, uns daran zu hindern zu leben ohne sinnlosen Überfuß. Ohne Ballast. Wünsche wecken und den Geist betäuben.

„Zu den Hauptgründen für Galbraiths Unbehagen gehörte seine Beobachtung, dass die amerikanische Nachkriegsgeneration ein scheinbar grenzenloses Verlangen danach hatte, unnötige Dinge zu kaufen. Nach seiner Überzeugung waren die materiellen Bedürfnisse der meisten US-Amerikaner etwas ebenso «Hergestelltes» wie die Produkte, die sie kauften, um diese Bedürfnisse zu stillen. Weil die existenziellen Grundbedürfnisse der meisten Menschen problemlos befriedigt werden könnten, verlegten sich, so seine These, die Hersteller und die Werbebranche darauf, neue künstliche Bedürfnisse zu wecken, um das Hamsterrad der Produktion und des Konsums am Laufen zu halten, anstatt dass die Menschen ihre Ressourcen in die Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen investierten.“ (2)

Das also Unternehmen für ihre Produkte werben ist die eine Sache, die andere ist ein Unternehmen zu gründen, das nur darauf gründet, Werbung zu zeigen und zwar so dicht am Kunden wie es geht. Google und YouTube haben im analogen Sinne einen Marktplatz erbaut, zu dem so viele Leute kommen, das die Unternehmen unbedingt dort ihre Produkte zeigen müssen, damit es sich lohnt und es lohnt sich – für Google und YouTube.

„Der Werbeumsatz von YouTube, das zu Google gehört, betrug im Jahr 2019 rund 15 Milliarden Dollar.“ (3)

In unserer Gesellschaft gibt es diesen absurden Zusammenhang zwischen Geld und Macht. Wer von dem einen viel sein eigen nennt, bekommt das andere als Bonus dazu. Diese Macht in den Händen von Menschen, denen es vornehmlich darum geht, die geschenkte Macht auszubauen um dann noch mehr Geld zu erwirtschaften um dann noch mehr … ist es deutlich geworden? Der Einfluss der werbebasierenden Dienste wie Facebook  und Twitter auf politische Wahlen ist in den letzten Monaten mehr als deutlich geworden und es ist keine gute Entwicklung, wenn einzelne Unternehmer so viel Einfluss auf die Meinungsbildung der Öffentlichkeit besitzen.

So erscheint der massive Versuch von Amazon sich als toller Arbeitgeber in Anzeigen und Werbefilmchen zu präsentieren das perverse der Werbung zu offenbaren. Amazon wird beschuldigt, in den USA schwangere Frauen gefeuert zu haben, weil diese zu oft auf dem Klo waren. (4) Das erinnert sehr an das „Neusprech“ aus Orwell‘s Roman 1984. Es ist die Grundlage für die Werbung „Extraportion Milch“ in der Kinderschokolade, „Freude am Fahren“ bei BMW.
Die ganzen Wir-kümmern-uns-darum-Versprechen von Banken, Versicherungen und anderen Dienstleistern. Baumärkte, die mit Beratung werben, aber wann findet man so einen Mitarbeiter in den unendlichen Weiten dieser Regalwelt?
Grob vereinfacht lässt sich sagen, das mit Halbwahrheiten und/oder dem Verschweigen von Fakten viele Menschen viel Geld verdienen.

„Im Jahr 2019 wurden laut Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW e.V. rund 4,4 Milliarden Euro durch Fernsehwerbungeingenommen. “ (5)

Hat die Omnipräsenz der Werbung nicht schon längst ihre Wirkung verloren? Alles wird durch Werbung unterbrochen. Das Fernsehprogramm, Filme bei YouTube oder im Fernsehen, Spiele, Apps, Zeitungsartikel und Werbung an Bushaltestellen, Häuserwänden und Displays durchbrechen die Umgebung.

Werbeplakat für Zigaretten für mehr Konsum
Sinnfreier Stromverbrauch, gesundheitsschädliches Produkt und völlig dämlich.

Was Unternehmen bezahlen, um ihre Produkte zu vermarkten ist unfassbar.

„41.700 Euro für 20 Sekunden: Die „Tagesschau“ ist aus Werbesicht die teuerste News-Sendung. „RTL Aktuell“ nimmt mit 20.000 Euro nur halb so viel pro 20-Sekunden-Spot ein.“ (6)

Wer immer „Wolf“ ruft, dem glaubt man nicht mehr, wenn der Wolf dann vor der Tür steht.
Es ist zu viel, es ist zu schlecht und möglicherweise ohne Wirkung. Ironisch ist, das viele Apps den Benutzer zum Kauf der Vollversion anregen, indem sie auf die Werbefreiheit hinweisen, wenn man die App bezahlt. Das Abschalten der Werbung ist eine Befreiung und damit ein Feature?

Die Suchanfragen bei Amazon, Google oder Zalando werden zum hoffentlich ersehnten Wissen über die Wünsche des potentiellen  Kunden durch Algorithmen untersucht. Damit soll dann das  Konsumverhalten, die Kaufabsichten  oder einfach nur ein Interesse  dem Unternehmen noch vor dem Kunden klar sein um ihm dann mit der passenden Werbung traktieren zu können. Es lebe der Algorithmus und es macht deutlich, warum das Tracking, das bei einigen Smartphones jetzt werkseitig abgestellt ist, die Werbebranche so verletzlich erscheinen lässt. (7)

Das perfide an den Werbeabteilungen ist, das einverleiben von Trends als Verkaufsargument um das möglicherweise schlechte Gewissen der Konsumenten zu beruhigen. Jetzt ist Nachhaltigkeit ein großes Thema. Dann bewegt sich auch etwas und die Produkte haben weniger Plastik, oder die Verpackungen sind zu einem großen Prozentsatz recycelbar oder wiederverwertbar, was nicht das selbe ist. So wird Umweltschutz ein Verkaufsargument, dabei besteht die Gefahr, das der Umweltschutz und die ernsthafte Beschäftigung mit Nachhaltigkeit aufgeweicht wird wie Fahrstuhlmusik den Genuss von Musik aufweicht oder verflacht. Ich kann weiterhin viel kaufen, es ist ja umweltschonend. Nein! Besonders bescheuert war die Werbung, die das Schützen des Regenwaldes und das saufen von Bier in einer unfassbar dummen Kombination beworben hat. Erfreulicher weise wurde der Blödsinn verboten. (8)

Erich Fromm schrieb schon 1974  folgendes:

„Unser heutiges Leben in der Industriegesellschaft arbeitet fast ausschließlich mit derartigen «einfachen Reizen». Stimuliert werden dabei Triebe wie sexuelles Begehren, Gier, Sadismus, Destruktivität und Narzißmus. Vermittelt werden diese Reize durch Filme, Fernsehen, Radio, Zeitungen, Magazine und den Gebrauchsgütermarkt. Im großen und ganzen beruht die gesamte Reklame auf der Stimulierung von Wünschen, die durch die Gesellschaft erzeugt werden. Der Mechanismus ist immer der gleiche: einfache Stimulation direkte und passive Reaktion. Hierin liegt der Grund, weshalb die Reize sich ständig ändern müssen, um nicht ihre Wirkung zu verlieren. Ein Auto, das uns heute aufregend erscheint, wird uns in einem oder zwei Jahren langweilig vorkommen — deshalb muß man sich auf der Suche nach neuer Erregung ein anderes kaufen. Ein Ort, den man gut kennt, wird automatisch langweilig, so daß man sich Erregung nur dadurch verschaffen kann, daß man verschiedene Orte aufsucht, und zwar so viele wie möglich auf einer Reise. In einem solchen Kontext müssen die Sexualpartner ebenfalls gewechselt werden, wenn sie einen Reiz ausüben sollen.“ Erich Fromm „Anatomie der menschlichen Destruktivität“, 1974

Wo soll die Reise hingehen, wenn der Reiz drastischer werden muss, um noch Gehör zu finden? Klingeln Jeff und seine Freunde bald an der Haustür, wie früher die Staubsaugervertreter und Hausierer? Sollten alle Produkte nur Wahrheitsgemäß beworben werden? Marktanteile können auch gewonnen werden, wenn ein Unternehmen gute Produkte herstellt, Steuern zahlt, seine Arbeitnehmer und die Umwelt fair behandelt. Weniger unrealistische Versprechungen scheinen keine großen Gewinne zu generieren, aber vielleicht ist die Richtung vernünftig.

Minimalismus ist auch ein Trend. Weg vom Auto, hin zum Fahrrad. Selber kochen statt TK-Pizza. Die Macht des Verbrauchers ist genauso groß wie die heterogene Meinungsvielfalt und das macht es nicht leichter die Richtung zu finden, die es braucht um die Anzahl an Missständen und Ungerechtigkeiten zu minimieren.

Klar ist eines, Wachstum um jeden Preis und jedes Jahr lauter, bunter und dümmer erscheint keine große Verlockung für die Zukunft.


  1. https://www.finanzfluss.de/geldanlage/derivate/
  2. James Suzman „Sie nannten es Arbeit – Eine andere Geschichte der Menschheit“ C. H. Beck, 2021 – Seite 316
  3. Die ZEIT – No 6 – 4. Februar 2021 – Seite 1 – „Geld und Ohnmacht“ von Heinrich Wefing
  4. https://www.sueddeutsche.de/bayern/vorwuerfe-gegen-amazon-regelrecht-ausgeliefert-1.2666594-2
  5. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76850/umfrage/einnahmen-am-tv-werbemarkt-seit-1998/ und siehe 9
  6. https://www.focus.de/kultur/kino_tv/welcher-sender-ist-wertvoller-werbung-vor-news-soviel-kostet-ein-spot-vor-der-tagesschau-und-vor-rtl-aktuell_id_4485273.html
  7. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/apple-tracking-faq-101.html
  8. https://www.spiegel.de/panorama/verbotene-werbung-kein-schlueckchen-bier-fuers-stueckchen-urwald-a-202575.html
  9. https://www.heise.de/news/Verband-Umsatz-mit-Online-Werbung-knackt-4-Milliarden-Marke-5077251.html?wt_mc=nl.red.ho.ho-nl-daily.2021-03-11.link.link

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Identitäts-Lyrik

Einsam und verlassen
Dennoch unter Tausenden
In Zelten
Im Schlamm
Bittere Kälte
Ohne Essen

Halt, was schreiben sie denn da?

Ein Gedicht über die Flüchtlinge auf Lesbos und die armen Menschen vor den Toren der EU, wieso?

Na hören sie mal, haben sie denn schon mal mit einem Flüchtling gesprochen?

Nein, aber die Dokumentationen im Fernsehen,…

Waren sie schon mal auf der Flucht?

N-nein , wieso?

Na, sie sollten so etwas nur schreiben, wenn sie es auch mal erlebt haben. Sonst schreiben sie etwas, das gar nichts mit ihrer Identität zu tun hat.

Aber ich versuche doch, mich da hinein zu fühlen,…

Das ist sehr freundlich, aber wie lange leben sie schon hier in diesem fetten, reichen Land?

Schon immer.

Sehen sie, sie können das also nicht nachempfinden, wie es ist, wenn man alles verliert, vom Tod bedroht wird, auf der Flucht ist und dann in Lager abgeschoben wird und in Zelten bei bitterer Kälte leben muss. Wenn man nicht weiß, wie die Zukunft wird. Fatalistisch von einem Tag zum anderen hungert.

Aber ich kann es mir vorstellen.

Das sollten sie den Menschen überlassen, die es erlebt haben. Schreiben sie doch über Corona, da sind sie doch nah dran.

Das stimmt, aber ich hatte es noch nicht und kenne auch keinen der das hatte.

Ach so, verstehe. Dann schreiben sie doch über ihren Alltag, sie können keine Konzerte besuchen, kein Schwimmbad, nicht verreisen, nicht shoppen gehen. Sie haben haben praktisch nichts.

Ok,
einsam mit Netflix und Klopapier
Sitze ich eine tiefe Kuhle in mein Sofa
Die Waage zählt freudig meine Kilo, jeden Morgen
116 117 verschiebt mich in die Warteschleife
Die Nachrichten addieren die Neuinfektionen
Masken
Lockdown
Das kenn wir schon.

Ja, ganz nett. Klingt authentisch. Also Finger weg von Themen, die nichts mit ihrer Identität zu tun haben.


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Zigarettenwerbung ist echt hart

Ein Produkt das die Welt nicht braucht zu bewerben ist hart, ein Produkt, das die Welt nicht braucht und bei der immer der erfreuliche Satz stehen muss: „Rauchen kann tödlich sein“ ist härter. Trotzdem gibt es „Kreative“ die sich der Herausforderung stellen, die sich von solchen Widrigkeiten nicht abschrecken lassen. Die sich im Konferenzzimmer „Jonathan“ zusammen setzten, mit schwitzenden Ärschen auf Lederstühlen sitzen und „kreativ“ sind. Sie kämpfen um Ideen. Bleiben dafür extra lange bei der Arbeit und am Ende präsentieren sie das dämmliche Ergebnis ihrem Senior und dann dem Kunden.

Nachdem ihr Entwurf von der zuständigen Abteilung genehmigt wurde – natürlich noch mit diversen Anpassungen – wird das Ergebnis der Öffentlichkeit präsentiert. An Bushaltestellen, Plakatwänden oder in Anzeigen in Zeitschriften haben wir die Möglichkeit den Mist zu ignorieren. Yeah!

Zigarettenwerbung ist echt hart, auch für uns Nichtraucher. Eine Frau betrachtet eine Zigarettenwerbung
Zigarettenwerbung in Hamburg – Foto: Markus Hansen

Warum so dumm?

Das ist so ein Ergebnis. Von jungen Menschen – sehr wahrscheinlich – aus ihrem Gehirn gekratzt, soll mich dieses bunte Bildchen zum Kauf dieser Tabakstengel animieren, weil auf dieser Schachtel ein anderes Tier als das übliche Kamel zu sehen ist?

Anstatt damit zu Werben, das der Tabak fair gehandelt wird, was er bestimmt nicht ist.
Oder damit zu prahlen, das unnötige Schadstoffe entfernt wurden. Vielleicht damit zu Punkten, das die Packung sich in Luft auflöst, wenn sie leer ist oder das die Filter als Taubenfutter taugen. Oder kleiner, das alles ohne Plastik hergestellt wurde oder wenigstens Emissionfrei!
Nein. Lieber bemalen sie die Packung mit anderen Tieren, schreiben etwas von „limitiert“ drauf und fragen, welches Kamel ich bin? Grandios!

Als wären die Konsumenten fünf Jahre alt und Zigarettenschachteln Sammelkarten. Aber vielleicht verstehe ich das alles wieder nicht richtig und die Strategen aus der Märchenwelt und dem Tabakstadel sprechen eben gerade mit diesem Schwachsinn ihre neue Zielgruppe an. Dann passt ja alles.


https://de.statista.com/statistik/daten/studie/182391/umfrage/zigarettenkonsum-pro-tag-in-deutschland/

https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/bewusst-leben/rauchen-zahlen-und-fakten.html


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Richtig gute Idee: Fleisch-Soli

Wie kann es sein, das sich Menschen, die dieses Land regieren bzw. mitregieren, zu solchen Ideen hinreißen lassen? Die gesamte Bevölkerung soll dafür bezahlen, das wir noch mehr Fleisch fressen? Das noch mehr Kuh-, Schweine-, und/oder Hühnerscheiße produziert wird? Das noch mehr Regenwald gerodet wird um Soja anzubauen?

„Wie dieser Ansatz rechtskonform umgesetzt werden könnte, versucht die jetzt vorgelegte Machbarkeitsstudie des Landwirtschaftsministeriums zu beleuchten. Demnach gäbe es prinzipiell drei Varianten: Neben der höheren Mehrwertsteuer könnte eine gesonderte Tierwohlabgabe eingeführt werden – vergleichbar mit der Tabak- oder der Kaffeesteuer. Die dritte Möglichkeit wäre eine Art Tierwohl-Soli, also ein Zuschlag auf die Einkommensteuer.“ (1)

Ich kann nur hoffen, das die Verantwortlichen sich über den Unsinn dieser Idee klar werden und das Fleisch teurer machen, damit der Konsum auf diese Weise zurück geht.

Wenn es darum geht, den Tieren mehr Platz zu verschaffen, sollten die vorhandene Ställe mit weniger Tieren besetzt werden und dadurch würde auch die Qualität des Fleisches verbessert werden, was wiederum einen höheren Preis rechtfertigen könnte. Weniger Tiere und mehr Platz könnten ebenfalls den ungehemmten Einsatz von Antibiotika verringern, was wiederum einen höheren Preis,…siehe letzten Satz.

Richtig gute Idee: Fleisch-Soli - Kühe in einem Stall
Diesen hier geht es noch richtig gut. Genügend Platz und ein sauberer Stall sollte für alle eine Selbstverständlichkeit sein. | Foto: Markus Hansen

Ich bin dafür, das der Deutsche Bundestag mal eine Woche in so einem Stall lebt um sich inspirieren zu lassen. Natürlich sollte auch die Borchert-Kommision dabei sein.

Weniger Fleischkonsum, das Wohl der Tiere und der Landwirte können über einen angemessenen Preis erreicht werden. Es muss um die Reduzierung des Konsums, der Gülle und der Rodung wertvoller Naturflächen gehen und nicht um eine Subvention durch uns alle um weiterhin billiges Fleisch grillen zu können. Also bitte!


  1. https://www.tagesschau.de/inland/studie-tierwohl-landwirtschaftsministerium-101.html
  2. https://www.google.de/amp/s/www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fleischsteuer-tierwohl-mehrwertsteuer-fleisch-1.5222554!amp

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Wozu braucht man so viel Geld?

Wenn ein Mensch mehr Geld besitzt, als alle anderen, mehr als die meisten im ganzen Leben nicht verdienen, dann frage ich mich: „Was macht der mit dem ganzen Geld?“ Die Frage erscheint naiv, aber das ist dem Umstand geschuldet, das ich diese Situation nicht aus eigener Erfahrung beantworten kann. Die zweite Frage, die sich unweigerlich aus meinem Innern den Weg nach draußen bahnt ist: „Wozu braucht man so viel Geld?“

Das Bild eines weltberühmten Geldscheines - Wozu braucht man so viel Geld?
Foto: Markus Hansen


Wozu diese Fragerei? Darum:

„Alle Normalverdiener bitte kurz anschnallen. Nach Berechnungen der spanischenTageszeitung „El Mundo“ verdient Lionel Messi pro Tag 210.000 Euro netto. Macht in zwei Tagen knapp 800.000 Euro brutto, wenn man von einem Steuersatz in Höhe von 50 Prozent ausgeht.

Eine Summe, von der normale Menschen nur träumen können. Verdient ein Durchschnittsbürger 25.000 Euro brutto im Jahr, müsste er über 30 Jahre arbeiten, um auf Messis Lohn in zwei Tagen zu kommen, der Barca seit 2017 insgesamt 555 Millionen Euro gekostet hat.“ (1)

Mehr geht immer, denn neben diesen Kollegen ist Messi noch ein Geringverdiener:

  • Zhong Shanshan – 95,6 Milliarden US-Dollar
  • Bernard Arnault – 154,4 Milliarden US-Dollar
  • Elon Musk – 183,4 Milliarden US-Dollar
  • Jeff Bezos – 193,1 Milliarden US-Dollar (2)

Was würde ich machen?

Würde ich, wie Jeff, alles daran setzen, das meine Mitarbeiter möglichst billig sind und mich immer noch reicher machen?
Ich würde Unternehmen gründen, jeder Angestellte bekäme ein großzügiges Gehalt, jede Menge Urlaub und 20-25 Stunden wäre bei mir Vollzeit. Schulen in armen Ländern würde ich bauen, unterstützen und betreiben, die für alle offen und kostenlos sind. Universitäten gründen, die kostenfrei genutzt werden könnten von allen. Krankenhäuser, Frauenhäuser, Künstlerhäuser…

Vielleicht würde ich eine Insel kaufen und dort einen Staat errichten, der von klugen Köpfen erdacht, regiert und gepflegt werden würde, um zu sehen, wie gut es ihm irgendwann gehen würde, ohne Zwang,  ohne Korruption, ohne Kapitalismus.
Das bleibt eine Utopie.

Wer braucht so viel Geld? Bestehen die Möbel aus Geld oder Gold? Wie Putin‘s goldene Klobürste?
Können diese Menschen in drei Häusern gleichzeitig schlafen? Können sie mehr essen als arme Menschen? Können sie 10 Autos gleichzeitig fahren? Braucht irgendjemand so viel Geld um zu Leben? Wohl kaum.

Es läuft doch etwas falsch, wenn eine Person so viel Geld besitzt und andere Menschen wegen des fehlen von Geld verhungern müssen. Was sind wir nur für eine Spezies? Warum gibt es kein Gesetzt, das reiche Menschen, mit so einem unvorstellbaren Vermögen, zwingt die Armut der Welt zu bekämpfen?

Warum nicht?


  1. https://www.focus.de/sport/fussball/unvorstellbare-summe-mega-gehalt-enthuellt-messi-verdient-an-einem-tag-mehr-als-andere-im-ganzen-leben_id_12929513.html
  2. https://www.wiwo.de/erfolg/trends/forbes-liste-2021-das-sind-die-reichsten-menschen-der-welt/26281100.html

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Wenn einer furzt, müssen es alle riechen!

Ich bin versucht, der Welt und dem Dasein etwas Positives abzugewinnen. Aber es erscheint unmöglich. Mit allen Mitteln versuchen die Menschen ihren Wohnort gegen die Wand zu fahren. Elektroautos sind Klimaneutral? Nö! Der grüne Punkt hat etwas mit Recycling zu tun? Schön wärs. Kriege, Vertreibung, Hungersnöte, Elend, Sklaverei, Zerstörung, Extremismus …

Wir –  also wir Deutsche –  sortieren Müll, damit er nach Asien oder in die Türkei verschickt wird (5). Dort suchen dann Kinder nach brauchbaren oder sortieren den Plastikmüll. Wir fahren elektrische Autos, Räder oder Roller, und in den argentinischen Anden zerstören Menschen dafür die Umwelt, um für uns Lithium zu gewinnen. Von den Arbeitsbedingungen in China, Indien, Korea und sonst wo will ich gar nicht sprechen.
Damit ich mich mit warmen Werbeversprechen dem wohligen Gefühl der Nachhaltigkeit hingeben kann, müssen woanders Menschen leiden. Lithium, Seltene Erden, Erdöl, Gas, Gold, Kakao, Fleisch, Soja und alle anderen Rohstoffe, die ich nicht mal genau kenne, werden für unseren Verbrauch rücksichtslos aus der Erde gerissen.

Es ist alles viel zu wundervoll

Werbefilmchen, die ein einsames Auto zeigen, das durch die leere Stadt fährt und seine umweltfreundlichen Eigenschaften hervorheben, gar die Freiheit, die wir damit gewinnen, lullen uns ein. Belügen uns. Es gibt zu viele Faltencremes, die sofort jung machen, tausende Shampoos, die den verfilzten Kopf entwirren, unzählige Chipsorten, Süßigkeiten und Fertigprodukte. Von all dem ist viel zu viel vorhanden.

Ein bisschen verzichten

In der Coronazeit wird gerne, meist gönnerhaft, von Verzicht gesprochen. Vom weniger. Was ist mit den Menschen, die schon jahrelang für uns verzichten müssen, die, für uns auf Wohlstand, Bildung und ein gutes Auskommen verzichten müssen, damit wir hier Diskussionen führen können, dass wir vielleicht von allem etwas weniger verschwenden sollten? Die Erde ist rund und einzigartig und wenn einer furzt, müssen es alle riechen.

Es ist uns egal. Wir wollen über Verzicht reden und kluge Artikel schreiben, aber was uns wirklich umtreibt, sind Vollpfosten, deren „Freiheit“ in Gefahr ist, weil sie eine Maske tragen müssen. Verzichten sollen auch hierzulande immer die gleichen. Wie wäre es denn mal mit denen, die schon gar nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Geld? Das könnten sie dann mal sinnvoll einsetzen, um zum Beispiel die menschenunwürdigen Zustände im Flüchtlingslager Moria und jetzt in Kara Tepe (4) zu beseitigen. Wie kann Europa das zulassen? Wo es doch offensichtlich ist, dass diese Zustände mit dem, was Europa im Überfluss besitzt, gemildert, wenn nicht gar gelöst werden könnte: Geld. Wo ist es? Warum liegt es faul in der Sonne auf irgendwelchen Südseeinseln herum? Es wird gebraucht. Gebraucht, um Leben zu retten. Wieso macht Geld Urlaub in der Schweiz?

Nur ein paar Milliarden

Das Geld benötigt wird, um die Armut zu beseitigen, ist schon seit hunderten von Jahren bekannt. (Thomas Paine, 1797). Genauso bekannt und viel älter ist die Ignoranz und der Egoismus. Es müsste aber nicht so sein. Das ist das Fatale daran. In der Ausgabe der ZEIT (No 52) bekundet David Beasley, der Chef des Welternährungsprogramms, dass er die Milliardäre um Geld anhauen möchte, um den Menschen in Afrika helfen zu können.

ZEIT: Jüngst haben Sie einen Appell an Milliardäre gerichtet, einen Teil ihres Vermögens zu spenden, um den Hunger zu bekämpfen.

Beasley: Es gibt mehr als 2200 Milliardäre auf der Welt, mit einem Nettovermögen von etwa zehn Billionen US-Dollar. Billionen! Das ganze Vermögen der Welt beträgt etwa 360 Billionen Dollar. Diese Zahlen allein beweisen doch, dass niemand hungern sollte. Nun stehen wir vor einer nie da gewesenen Krise. Und alles, was ich brauche, sind fünf Milliarden Dollar, um eine Hungersnot zu verhindern. Ist das zu viel verlangt? Ich meine: Come on! Milliardäre, zeigt der Welt, dass sie euch nicht egal ist! Jeff Bezos, gib mir nur so viel, wie du an einem Tag verdienst! Allein zwischen April und Juli ist das Vermögen der Milliardäre um 27,5 Prozent gewachsen. Ich weiß, dass es wenig Aussicht hätte, sie um regelmäßige Beiträge zu bitten – auch wenn ich die gut fände. Aber worum es mir geht, ist eine einmalige Spende. Jetzt.“ (1)

Kleine Anmerkung: eine Billion sind tausend Milliarden.

Statt sich einfach mal von der Hälfte seines sinnfreien Vermögens zu trennen und der Welt und seinen Bewohnern etwas zurückzugeben, fordert Jeff, dass seine Arbeiter zuerst gegen Corona geimpft werden sollen (2). So sieht es aus, nach Jahren des Fortschritts, gibt es diesen Rückschritt: Fabrikbesitzer wollen, dass ihre ausgebeuteten Arbeiter gesund bleiben, um ihnen noch mehr Geld einzubringen.

Ein Mann sucht mit einem fernglas in der Hand die Gerechtigkeit.
Die Suche nach dem Sinn, dem Positiven, der Menschlichkeit.

Darf es auch ein bisschen mehr sein?

Muss ein Mensch so viel Geld besitzen? Darf jemand, der die Möglichkeit hat Menschen zu retten es nicht tun? Was ist mit der Verantwortung? Wo bleibt die Menschlichkeit? Sollte das nicht die Währung sein? Das Forbes Magazin sollte mal eine Liste mit den Menschen erstellen, die die Menschlichkeit nach vorne gebracht haben oder besser noch bringen?

Das Geld ist da. Der Wille fehlt. Denn wenn es denen gut geht, auf deren Elend unser Wohlbefinden ruht, was wird dann aus uns? Damit sich so eine Frage in Deutschland gar nicht erst stellt und weil unsere Solidargemeinschaft auch weiterhin nur für die schweigende Masse gilt, hat Angela schon mal klargestellt:

„Zur Finanzierung der zusätzlichen Schulden durch die Corona-Pandemie hat Bundeskanzlerin Merkel die Einführung einer Vermögensabgabe ausgeschlossen.„

DLF (16.12.2020)

Das übernimmt der Steuerzahler, und zwar der kleine, die breiten Schultern, die mehr tragen könnten, werden nicht belastet. Es ist ja schon schwer genug fast 200 Milliarden zu tragen. Armer Jeff. Arme Beate. Armer Karl, …(3)

Aber halt. Sie haben sich bewegt. Sie haben die Not erkannt, ihren „Le Petit Prince Solitaire Le Grand“ Füllfederhalter gezückt und:

„… haben als Antwort auf Covid-19 zwischen März und Juni 2020 mehr als 200 Milliardäre insgesamt 7,2 Milliarden Dollar gespendet. Das Geld sei unter anderem in Stiftungen und Krankenhäuser sowie in den Kauf von Gesichtsmasken und Beatmungsgeräten und den Bau von Impfstoffproduktionsanlagen geflossen. Die mit Abstand meisten Spenden kamen aus Amerika, wo freilich auch die meisten Ultrareichen wohnen.“(3)

Applaus, aus einer leeren Halle, von nur zwei Händen in langsamen Tempo. Ironie! 

Besonders Impstoffproduktionsanlagen sind bestimmt selbstlose Spenden. Haha.

So bleibt nur eins, das ist zwar traurig, aber dann haben wir es hinter uns.

„Da Reichtum und Zivilisation ebenso viele Kriegsursachen in sich bergen wie Armut und Barbarei, da Wahnwitz und Bosheit der Menschen unheilbar sind, so bleibt eine gute Handlung zu vollbringen. Der Weise wird Dynamit genug sammeln, um diesen Planeten in die Luft zu sprengen. Wenn er zerstückelt durch den Raum rollt, wird eine – obschon nicht wahrnehmbare – Verbesserung in der Welt geschehen sein und eine Genugtuung für das Weltbewusstsein, das übrigens nicht existiert.«“

Anatol France „Die Insel der Pinguine“

POW!


Quellen

  1. DIE ZEIT – No 52 – 10. Dezember 2020 – Seite 7 – „Zu viel Geld fehlt!“ Interview mit David Beasly (Chef des Welternähhrungsprogramms der UN) geführt von Lea Frehse und Samiha Shafy
  2. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/amazon-impfung-verdi-corona-ansteckung-101.html
  3. https://www.google.de/amp/s/m.faz.net/aktuell/wirtschaft/die-reichen-werden-waehrend-der-corona-krise-immer-reicher-16989997.amp.html
  4. https://www.welt.de/politik/ausland/article222859216/Griechisches-Fluechtlingslager-Babys-von-Ratten-gebissen.html
  5. https://www.deutschlandfunk.de/umwelt-weniger-plastikmuell-exporte-ins-ausland.1939.de.html?drn:news_id=1214156

Weitere Texte gibt es auf der mhblog-Seite und wer mit mir in Kontakt treten möchte, kann das hier tun. Viel Spaß.

HÄNDE HOCH! GELD HER!

Wenn etwas auf dieser Welt geschehen muss oder soll, dann lassen sich die Probleme, genauso wie die Lösungen fast immer auf ein Wort reduzieren: Geld.

Für mehr Frauenhäuser in Deutschland, bessere Bildung – speziell der digitale Unterricht, mehr Pflegekräfte, mehr Polizisten, mehr Steuerfahnder, mehr Lehrer, mehr von was auch immer – fehlt das Geld.

Für seltene Krankheiten gibt es keine Forschung, Bücher werden nicht verlegt, Kredite nicht bewilligt, Umwelt nicht geschützt oder gerettet, weil das kein Geld bringt.

„Schon 1999 hatte die Deutsche Post die sogenannte Postbox für gewerbliche Kunden eingeführt: Die bestellte Ware wurde in einer gelben Plastikbox geliefert und direkt bei der Zustellung ausgepackt, sodass die Postbotin sie wieder mitnehmen konnte. Doch die Postbox wurde nach zehn Jahren eingestellt, weil sie zu viel kostete.“

Die Zeit – No 49 – 26.11.2020 – Seite 26 – Christina Plett „Kartons mit Pfand“

Tauschen wir?

Wenn ich ein Uhrmacher wäre und ich würde bei jemanden eine Reparatur durchführen, wäre es denkbar, das ich mich mit Brot oder Gemüse bezahlen lasse. Wäre ich ein Fliesenleger und würde ein halbes Haus fliesen, dann müsste ich wohl ein Abo auf jahrelanges Brot und Gemüse bekommen. Würde ich also mehrere Häuser gefliest haben, bräuchte ich lange Zeit nicht mehr zu arbeiten, weil mir einige Leute jahrelang etwas Schulden würden. Tauschhandel ist im Kleinen durchaus denkbar und praktikabel, aber für weniger überschaubare Beträge bzw. Leistungen ungeeignet.

Geld, fein abgepackt und sortiert. Zu wenige haben zu viel, während zu viele zu wenig davon haben.

Geld hat da einen Vorteil. Es ist überall eintauschbar und leicht zu transportieren. Demnächst tauscht es seine physische zugunsten einer digitalen Form, was noch praktikabler sein wird. Eine Konto statt einer Schatztruhe, von dem etwas abgeht oder zu dem etwas hinzukommt. Aber so sehr Geld auch die Lösung für vieles zu sein scheint, es stellt sich die Frage, ob es nicht mehr Schaden anrichtet und zu vieles verhindert. Natürlich meine ich nicht das Geld an sich, sondern den religiösen Eifer der dafür steht. Die Gier. Die Verteilung.

Die Armut, die Bildung, die Pflege, der Krieg, die Industrie, einfach alles und jedes wird auf einen Wert X reduziert, bewertet und dann wird gehandelt oder die Handlung wird unterlassen.

Einige Beispiele…

Pharmakonzeren stecken Millionen oder mehr in die Erforschung von neuen Medikamenten, aber nur, wenn am Ende eine Summe X herauskommt, die weit über der Investion liegt. Die Gier nach Geld verhindert also Medikamente.

Die Pflege von Menschen, sei es im Krankenhaus oder im Altenheim, ist kostspielig, wenig profitabel und anstrengend. Es wird also versucht, durch niedrige Löhne, wenig Personal und so wenig Aufwand wie möglich, die Patienten zu versorgen. Damit am Ende die Einrichtung Geld abwirft. Die Gier nach Geld verhindert also gute und menschenwürdige Pflege.

In der Bildung von Kindern und Jugendlichen haben wir den Anfang in der Kita, dort gilt ein willkürlich errechneter Schlüssel als Kennzahl für die Anzahl der Betreuer Pro Kind. Das Personal ist nicht optimal ausgebildeten, meist unterbesetzt und in Bezug auf die prägende Verantwortung absolut unterbezahlt. In der Schule gilt das selbe, Grundschullehrer sind unterbezahlt und für die prägende Phase im jungen Leben ebenfalls unterbesetzt und überarbeitet. In den höheren Klassen ist es auch nicht besser und die anspruchsvolle Tätigkeit mit Jugendlichen in der Adoleszenz trifft nicht immer auf darauf vorbereitete Lehrer und Lehrpläne. Die Gier nach Geld verhindert eine gute Ausbildung.

Der Krieg, ein lohnendes Geschäft, deshalb ist überall gern gesehen – aus der Ferne, versteht sich. Regierungen zahlen Unmengen an Geld für die Verteidigung. (1) Milliarden für Waffen, die, zu Lande, zu Wasser und in der Luft, möglichst ohne eigene Verluste viele Menschen töten. Damit das auch alles seinen Sinn hat, wird gebombt, geschossen und Krieg gespielt wie im Sandkasten auf dem Spielplatz. Das Geld ist das Blut in den Adern der Kriegsmaschinerie. Die Gier nach Geld verhindert also Frieden.

Die Armut der einen ist das finanzielle Standbein der anderen. Frauen in Indien (2), die für einen Hungerlohn Stoffe zu Kleidern zusammen nähen, damit diese hier für viel Geld verkauft werden können, sind Systemrelevant. Wäre das Nähen zu teuer, würde der Umsatz leiden und deshalb braucht es die Armut, um Produkte herzustellen, die in den Industrienationen gekauft werden können. Die Gier nach Geld verhindert also den Kampf gegen Armut.

Der finanzielle Einsatz um einen Impfstoff für Covid-19 zu finden, verdeutlicht das beschriebene ganz gut. Keine Regierung kann es sich leisten allzu lange oder oft auf die Wirtschaftsleistung zu verzichten, um eine Pandemie einzudämmen, wird das nötige Geld investiert.

Und jetzt?

Das Geld an sich ist weder gut noch schlecht. Die Idee ist hilfreich, im Alltag und über Grenzen hinweg. Das zeigt die Eurowährung besonders. Aber, muss eine Gesellschaft es sich nicht ebenfalls leisten können, Krankenhäuser vom Streben nach Gewinn auszunehmen? Die meisten Regierungen leisten sich ja auch eine Armee und die ist meist ein Faß ohne Boden. Sollte es nicht wichtiger sein, das Kinder eine wirklich gute Ausbildung bekommen? Ist die Zufriedenheit in einem Land nicht höher zu bewerten als die Summe auf dem Konto irgend eines Millionärs, Unternehmers oder wem auch immer?

Die Lösung für sehr viele Missstände auf diesen Planeten ist das, was auch die meisten Probleme verursacht und sie befindet sich leider in zu wenigen Händen. (3)


  1. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157935/umfrage/laender-mit-den-hoechsten-militaerausgaben/
  2. https://femnet.de/informationen/laender-und-arbeitsbedingungen/indien.html
  3. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/384680/umfrage/verteilung-des-reichtums-auf-der-welt/